Analyse: Freude über Gauck bei der Opposition
Berlin (dpa) - Triumphgefühle verkniff sich Sigmar Gabriel. Aber die Zufriedenheit mit dem Ausgang des Präsidenten-Pokers war ihm deutlich anzumerken. „Schöner Tag heute“, so begrüßte der SPD-Vorsitzende die Journalisten am Montagmittag gut gelaunt in der Parteizentrale.
Verkünden konnte Gabriel dabei, dass sich der SPD-Vorstand einstimmig hinter die Kandidatur von Joachim Gauck gestellt habe. Niemand hätte anderes erwartet. In höchsten Tönen lobte Gabriel die Qualitäten des rot-grünen Wunschkandidaten.
Ausgesprochen zurückhaltend kommentierte er die Zerreißprobe zwischen Union und FDP. Seine SPD jedenfalls habe den Umgang der Kanzlerin während der dramatischen Kandidatensuche jederzeit als offen und fair empfunden.
Nur anklingen ließ der SPD-Vorsitzende, dass es aus seiner Sicht vor allem auf Unionsseite nicht besonders professionell zugegangen sei. Von „strategischer Klarheit“ sei dort zeitweise nicht viel zu spüren gewesen.
Eigentlich hatten die Sozialdemokraten das Kapitel Gauck schon zu den Akten gelegt. Erst, als die ersten Affären von Christian Wulff Schlagzeilen machten, habe er ihn angerufen, erzählte Gabriel. Vor einigen Wochen sei das gewesen. „Das kann noch einmal auf Sie zukommen“, habe er Gauck gewarnt. „Oh Gott“, sei dessen Reaktion gewesen.
Auch am Wochenende waren sich die Sozialdemokraten noch keineswegs sicher, ob der 72-Jährige tatsächlich erneut antreten würde. Bis zum Samstag gab es Hinweise darauf, dass Gauck es nur unter der Bedingung machen werde, von allen Parteien mit Ausnahme der Linken aufs Schild gehoben zu werden.
Auf der Rückfahrt von Goslar, wo Gabriel seine pflegebedürftige Mutter besucht hatte, telefonierte der SPD-Chef mehrfach mit Gauck und anderen Akteuren. Erst am Sonntagmittag signalisierte Gauck plötzlich, er stehe auch bereit, wenn sich eine knappere Mehrheit für seine Wahl abzeichne.
Für die Sozialdemokraten, die sich bei einer Absage des Theologen auch einen Bundespräsidenten Klaus Töpfer hätten vorstellen können, änderte sich damit schlagartig die Lage. Jetzt setzte man voll und ganz auf die Karte Gauck. Schon vor der Öffentlichkeit will Gabriel aus der Union eine vorsichtige Bewegung in Richtung des Theologen mitbekommen haben. „Ganz sicher war ich mir erst um 18.45 Uhr.“
Auch die Grünen gingen auf konsequentem Gauck-Kurs ins Kanzleramt, nachdem sie schon seit Samstag „Huber-Prophylaxe“ betrieben hatten. Der SPD-nahe Altbischof Wolfgang Huber, der im Rennen war und den auch die SPD mitgetragen hätte, war den Grünen suspekt. Bei einer Kandidatur der Frankfurter Oberbürgermeisterin Petra Roth (CDU) hätten sie dagegen wohl mitgemacht. Und bei einer Wahl zwischen dem Kämpfer gegen die Klimakatastrophe Töpfer auf der einen und Gauck auf der anderen Seite? Dann hätte die Grünen die Abstimmung in der Bundesversammlung wohl freigeben müssen.
Am Tag nach der Kür konnten und wollten die Grünen ihre Euphorie kaum verbergen. „Ich beglückwünsche Sie zum Rosenmontag“, begrüßte Parteichef Cem Özdemir die Journalisten. Durchs Treppenhaus ihrer Parteizentrale hallte immer wieder lautes Gelächter.
Die Freude über Gaucks Nominierung mischt sich bei den Grünen mit Genugtuung, dass es zwischen Union und FDP tiefen Konflikt statt Konsens gab. Sie hoffen, dass der Erfolg des Lieblingskandidaten von SPD und Grünen Vorbote einer gemeinsamen Regierung ist. Angesichts der Stärke Merkels hatte es danach vor diesem Wochenende immer weniger ausgesehen.