Analyse: „Gott ist Brasilianer“ - der nächste Papst auch?

Rio de Janeiro (dpa) - „Gott ist Brasilianer und der Papst Carioca“, sagte Johannes Paul II. im Jahr 1997 scherzhaft bei seinem Brasilienbesuch. Zwar ist „Dom Odilo“ kein „Carioca“, wie Rios Einwohner genannt werden.

Doch wenn die Einschätzung des damaligen Pontifex Bestand hat, stehen die Chancen für Odilo Pedro Kardinal Scherer bei der Papstwahl zum Besten. Der 63-Jährige ist konservativ, gradlinig und weltoffen und Erzbischof von São Paulo, der größten katholischen Diözese im zahlenmäßig größten katholischen Land. Das hat Gewicht.

Wenn Dom Odilo wirklich Papst würde, ergäbe sich eine Parallele zum emeritierten Papst Benedikt XVI. Der eröffnete 2005 noch im Jahr seiner Wahl anstelle des verstorbenen Johannes Paul II. den Weltjugendtag in seiner deutschen Heimat. Sollte der Brasilianer Papst werden, fiele ihm dieselbe Aufgabe zu, denn im Juli pilgert die katholische Weltjugend zum Cristo Redentor, der monumentalen Christusstatue, nach Rio de Janeiro, und der Papst kommt auch.

Schon 2005 hatten viele gemutmaßt, dass die Stunde Lateinamerikas nun geschlagen habe. Die Region ist eine katholische Bastion. Mehr als 40 Prozent der 1,2 Milliarden Katholiken leben dort und Brasilien ist mit einem Katholikenanteil von fast 65 Prozent zahlenmäßig immer noch das größte katholische Land. Doch wie in vielen anderen lateinamerikanischen Ländern hat die römische Kirche auch in Brasilien mit der Konkurrenz der Pfingstgemeinden zu kämpfen, die stetig wachsen.

Für „Dom Odilo“, einem Nachfahren deutscher Brasilien-Einwanderer aus dem Saarland, steht die Kirche vor großen Herausforderungen. Für ihn spielt die geografische Herkunft oder auch das Alter des neuen Papstes keine entscheidende Rolle. Dies seien keine essenziellen Fragen, sagte er. „Die Frage ist, ob er in der Lage ist, das Amt zu übernehmen.“ Die Situation der Kirche, der Welt und die Mission der Kirche in den künftigen Jahren müssten eingeschätzt werden.

Allerdings sind die Mehrheits- und Machtverhältnisse in dem Konklave mit 115 teilnehmenden Kardinälen schwer berechenbar. Ob ein Kandidat aus Lateinamerika wirklich die erforderliche Zwei- Drittel-Mehrheit erreicht, ist fraglich. Aus Europa kommen 60 Kardinäle, aus Lateinamerika 19, aus Nordamerika 14, aus Afrika 11, aus Asien 10 und einer aus Australien für Ozeanien. Die Mehrheit muss also erarbeitet werden.

Die Kirche Lateinamerikas hofft natürlich - wie auch die Afrikas, Asiens und Europas -, dass der Papst aus ihren Reihen kommt. Für die lateinamerikanischen Länder hätte das vor allem psychologische Auswirkungen. Viele erhoffen sich einen Aufbruch. Der Name Scherers hat nach Medienberichten an Gewicht gewonnen. Nicht nur in seiner Heimat hat er den Ruf eines engagierten Seelsorgers und effizienten Organisators. Bei seinen Predigten versteht er es, komplexe Glaubensinhalte in einfachen Worten zu vermitteln.

Der Religionswissenschaftler Daniel Alvarez sieht zwar auch viele andere Anwärter mit Erfolgsaussichten. „Aber Odilo Scherer aus São Paulo kann die Überraschung des Konklave sein. Seine deutschen Vorfahren verbinden ihn mit Europa“, nannte der Professor an der Universität Florida in einem BBC-Interview einen Grund. Die Entscheidung wird aber erst stehen, wenn weißer Rauch über dem Vatikan aufsteigt. Und bis dahin ist das alte Sprichwort: „Wer als papabile (papstfähig) ins Konklave geht, kommt als Kardinal wieder raus.“