Analyse: „Wind des Wandels“ über dem Konklave

Rom (dpa) - Sensationell, historisch, ein Zeichen des Himmels - Beobachter in Rom sind sich einig, dass diese Papstwahl den Aufbruch in eine neue Ära markieren kann. Der „Wind des Wandels“ wehe über dem Konklave, meint die Zeitung „La Stampa“.

Doch noch ist völlig unklar, ob der 266. Papst in der Geschichte der katholischen Kirche eher ein Reformer oder ein Bewahrer sein wird, mehr Seelsorger, Kommunikator oder von allem etwas. Und wird es ein Europäer, ein Amerikaner, ein Afrikaner oder Asiate sein? Der Reigen ist eröffnet, der Ausgang ungewiss - es kann immer eine große Überraschung geben, meinen Kommentatoren.

Als Papst Benedikt XVI. am 11. Februar seinen Rücktritt zum Ende des Monats ankündigte, ging ein Blitz auf die Kuppel des Petersdoms nieder. Auch jetzt erhoffen sich Beobachter in Rom ein Zeichen von oben. „Gott hat den nächsten Papst schon erwählt, die Kardinäle müssen ihn nur noch finden“, sagt ein Geistlicher auf dem Petersplatz.

Die Zeitung „La Repubblica“ bringt Favoriten und Außenseiter auf den neuesten Stand und nennt an erster Stelle den Erzbischof von Mailand, Angelo Scola (71). Der Chef der größten Diözese Europas könnte mit 35 bis 40 Stimmen im ersten Konklave-Wahlgang starten, meint das Blatt. Entscheidend könnten dann die Wahlgänge am Mittwoch sein. Der Gegenwind seitens der „römischen Partei“, der Kurie, werde jedoch heftig sein, heißt es. Als weitere europäische Reformer werden die Erzbischöfe von Wien, Paris, Prag und Barcelona genannt.

15 bis 18 Stimmen könnten nach diesen Berechnungen beim ersten Votum auf den Erzbischof der brasilianischen Millionenmetropole Sao Paulo, Odilo Scherer, entfallen. Anders als Scola gilt der 63-Jährige mit deutschen Wurzeln auch als Kandidat der Kurie. Er soll in der Generalkongregation den Führungsanspruch des Vatikans leidenschaftlich verteidigt haben.

Außenseiter sind demnach der Erzbischof von New York, Timothy Dolan (63), und der Präfekt der Bischofskongregation, der Kanadier Marc Ouellet (68). Dolan hat sich selbst angeblich nie als Papst gesehen, gilt jedoch national und international als großer Sympathieträger. Ouellet könnte im Widerstreit zwischen Reformern und Kurientreuen der Kompromisskandidat sein, prophezeien Vatikankenner.

Für alle gilt das Quorum von 77 Stimmen, eine Zweidrittelmehrheit. Zum Vergleich: Kardinal Joseph Ratzinger startete 2005 mit 47 Stimmen, erhielt dann 65, 72 und im vierten Wahlgang 84 Stimmen. Vier Wahlgänge sind ab Mittwoch pro Tag vorgesehen, zwei am Vormittag, zwei am Nachmittag. Jeweils gegen 12.00 und 19.00 Uhr soll Rauch aufsteigen. Weißer Rauch als Zeichen für das „Habemus Papam“ (Wir haben einen Papst) ist der spektakulärste Moment und kann auch vorzeitig aufsteigen. Etwa drei Tage werden derzeit in Rom für die Dauer des Konklave genannt, doch es kann auch länger dauern.

Diesmal soll es kein Gemisch aus hellen und dunklen Rauchschwaden geben wie bei der Wahl von Benedikt. Die Chemikalien, die verfeuert werden, seien neu gemischt worden, heißt es. Und wegen der derzeit häufigen Niederschläge in Rom wurde ein Regenfang über dem Schornstein angebracht. Vatikansprecher Federico Lombardi sieht es gelassen: „Auch das ist Teil des Spektakels, Spannung gehört dazu“.

Nach der streng geheimen Wahl hinter verschlossenen Türen bleibt dem neuen Oberhaupt von 1,2 Milliarden Katholiken weltweit noch ein bisschen Zeit, um in sich zu gehen und zu beten. Im „Zimmer der Tränen“ in der Sixtinischen Kapelle liegen die neuen weißen Papstgewänder bereit, die vorsorglich in drei Größen geschneidert wurden: large, medium und small.