Analyse: Hat Athen zu hoch gepokert?
Athen (dpa) - Die Aufregung war groß, als der neue griechische Finanzminister Varoufakis offiziell den Bruch mit der „Troika“ der Spar-Kontrolleure verkündigte. Alles nur Säbelrasseln oder steuern Griechenland und seine Geldgeber tatsächlich auf ein Zerwürfnis mit unabsehbaren Folgen zu?
Athen (dpa) - Die Aufregung war groß, als der neue griechische Finanzminister Varoufakis offiziell den Bruch mit der „Troika“ der Spar-Kontrolleure verkündigte. Alles nur Säbelrasseln oder steuern Griechenland und seine Geldgeber tatsächlich auf ein Zerwürfnis mit unabsehbaren Folgen zu?
Dazu Fragen und Antworten:
Warum begibt sich Griechenland auf Konfrontationskurs mit seinen Rettern?
Die Griechen haben eine neue Regierung gewählt, die ihnen versprochen hatte, nicht so weiterzumachen wie bisher. Die Protesthaltung ist nachvollziehbar: Jeder vierte Grieche ist offiziell ohne Job, mehr als in jedem anderen Euroland. Der neue Premier Alexis Tsipras muss einen Teil seiner Versprechen einlösen, um nicht sofort unglaubwürdig zu werden. Dabei macht natürlich auch der Ton die Musik. Die „Troika“ ist in Griechenland ein rotes Tuch, sie gilt als Symbol für übertriebene Sparauflagen.
Kann Griechenland denn ohne Hilfen der Europartner überleben?
Vorerst wohl nicht - aber vielleicht ohne „Troika“. Kritik an der Arbeit und Zusammensetzung des Dreigespanns aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und Internationalem Währungsfonds (IWF) gibt es auch von anderer Seite - zum Beispiel vom Europaparlament. Die Kontrollen könnten daher künftig transparenter und ohne Beteiligung des IWF oder der EZB durchgeführt werden. Damit wäre auch der verhasste Name „Troika“ hinfällig, was Tsipras bereits als Erfolg verbuchen könnte.
Aber droht Athen nicht kurzfristig das Geld auszugehen?
Griechenland hat eine letzte Tranche aus seinem zweiten großen Hilfsprogramm noch nicht erhalten, außerdem bekommt es auf Umwegen Erträge der Euro-Notenbanken zurückgezahlt und Unterstützung für sein Bankensystem. Ganz ohne diesen Beistand dürfte es für Athen eng werden. Die neue Regierung kann zwar versuchen, sich durch zusätzliche Einnahmen mehr Freiraum zu schaffen - zum Beispiel durch eine höhere Besteuerung von wohlhabenden Griechen. Dies würde aber einige Zeit in Anspruch nehmen, um einen Kompromiss mit den Geldgebern für eine Übergangszeit dürfte Tsipras daher nicht herumkommen.
Und folgt dann ein neuer Schuldenschnitt für Griechenland?
Wahrscheinlich nicht. Vor knapp drei Jahren verzichteten private Gläubiger wie Banken in einem ersten Schuldenschnitt auf einen Teil ihrer Forderungen. Doch für öffentliche Kreditgeber wie Deutschland ist so ein Schritt problematisch: Kanzlerin Angela Merkel (CDU) müsste den deutschen Steuerzahlern eingestehen, dass Milliarden verloren sind. Wesentlich einfacher ist es, Griechenland niedrigere Zinsen anzubieten und die Rückzahlung der Schulden immer weiter in die Zukunft zu schieben. Das ist bereits geschehen: Derzeit beträgt die durchschnittliche Laufzeit der Hilfskredite mehr als 30 Jahre. Und so ungewöhnlich es klingt - nach Einschätzung von EU-Parlamentspräsident Martin Schulz gibt es hier noch Luft nach oben.
Ist die Bundesregierung denn noch zu Kompromissen bereit?
Deutschland kommt als wirtschaftsstärkstes Euroland seit Beginn der Eurokrise eine entscheidende Rolle zu - und entsprechend schlecht gelitten ist die deutsche Regierung daher in der griechischen Bevölkerung. Aus der zweiten Reihe in Berlin werden die Griechen jetzt wie üblich zum eisernen Sparen ermahnt und an ihre Verpflichtungen erinnert, doch Kanzlerin Merkel schlägt in einem Interview einen ganz anderen Tonfall an: Sie freue sich darauf, „die Freundschaft unserer beiden Völker weiter stärken zu können“ und wolle zunächst einmal Tsipras' Vorschläge abwarten. Ein griechischer Euro-Austritt oder andere Horrorszenarien scheint angesichts solcher Formulierungen in weiter Ferne zu liegen.