Analyse: Hollande und Putin schmieden Bündnis

Moskau (dpa) - Die Narben der Terroranschläge in Paris sind auch in Moskau sichtbar - zwei Wochen nach dem Tod von 130 Menschen. „Wir trauern mit euch“, steht in blutroter Farbe auf einem Schild. Es lehnt, bedeckt vom ersten Schnee, an einem Berg aus Blumen vor der französischen Botschaft in Sichtweite der Kreml-Türme.

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Nicht nur die russische Bevölkerung ist nach der verheerenden Anschlagsserie mit Frankreich solidarisch. Am Abend rücken in Moskau auch die Präsidenten François Hollande und Wladimir Putin enger zusammen. Beide tragen bei ihrem Treffen Schwarz, die Farbe der Trauer. Und es scheint Hollande gelungen zu sein, den Russen etwas stärker in die internationale Koalition einzubinden, die in Syrien gegen die Terrorschergen des Islamischen Staates (IS) kämpft.

„Wir müssen diese breite Koalition gemeinsam bilden, um den Terrorismus zu schlagen“, sagt Hollande schon zu Beginn des Treffens. Und auch der Kreml-Chef zeigt sich offen. „Wir sind bereit zu dieser Zusammenarbeit, mehr noch, wir halten sie für absolut notwendig“, sagt Putin seinem Gast.

Doch kratzt man nur leicht an der Oberfläche, bleiben die Differenzen zwischen den Akteuren. Der Westen, mit den USA an der Spitze, ist zum Kampf mit vereinten Kräften bereit, sofern Russland seine Hilfe für den syrischen Machthaber Baschar al-Assad aufgibt und sich auf einen Machtwechsel in dem Bürgerkriegsland einlässt.

Russland hingegen will zwar nicht um jeden Preis Assad, wohl aber das syrische Regime als solches an der Macht halten. Die russische Führung betont, dass sich ihr Militäreinsatz vor allem gegen den IS richtet. Aber Experten sind überzeugt: Der IS spielt bislang eine Nebenrolle auf der Zielliste der russischen Kampfpiloten.

Immerhin vereinbaren Moskau und Paris, „sich Angriffen auf die gemäßigte syrische Opposition zu enthalten“, wie Putin sagt. Welche Gruppen genau dazu zählen sollen, muss noch aufgelistet werden - trotzdem ist die Zusicherung ein kleiner Sieg für Hollande.

Frankreichs Präsident sieht seine Grande Nation im „Krieg“ mit dem Terrorismus. Doch er weiß, ohne militärische Hilfe anderer kann selbst die Atommacht diesen Feldzug nicht gewinnen. Dem Treffen mit Putin ging ein diplomatischer Marathon von Treffen mit US-Präsident Barack Obama, dem britischen Premier David Cameron und Kanzlerin Angela Merkel diese Woche voraus.

Auch die sonst zurückhaltende Kanzlerin ist inzwischen überzeugt: „Der Islamische Staat muss mit militärischen Mitteln bekämpft werden.“ Am Donnerstag beschließt die Bundesregierung, als Konsequenz aus den Pariser Anschlägen mit „Tornado“-Aufklärungsjets und einem Kriegsschiff in den Kampf gegen den IS einzugreifen. Zudem sollen ein Tankflugzeug und Satellitenaufklärung zur Verfügung gestellt werden.

Putin hatte Hollande nach den Anschlägen von Paris am 13. November schnell die Hand gereicht. Er hat sein Militär angewiesen, Frankreich im Syrien-Konflikt „wie einen Verbündeten“ zu behandeln. Bei dem Moskauer Treffen beschwört er Kooperation, sogar ein Zusammengehen mit der US-geführten Koalition gegen den IS kann er sich vorstellen.

Noch lieber würde Russland aber selber führen. „Es sollte endlich eine einheitliche mächtige Kraft entstehen, die die Handlungen des russischen Militärs unterstützt, das erfolgreich gegen Terroristengruppen in Syrien vorgeht“, sagte Putin vor dem Treffen mit Hollande. Ohnehin beschäftigt den Kremlchef dieser Tage vor allem, welche Konsequenzen er nach dem Abschuss eines russischen Kampfjets durch türkisches Militär ziehen soll.

Dass es zu einer Anti-IS-Koalition kommen könnte, schließt der russische Experte Fjodor Lukjanow nicht aus. Aber es werde nicht mehr als ein Zweckbündnis sein. „Eine solche Vereinigung kann offenkundig nicht zu etwas Stabilem und Dauerhaftem führen“, schreibt der Herausgeber der Zeitschrift „Russia in Global Affairs“. „Über eine konkrete Mission hinaus wird die harte Konkurrenz wieder losbrechen.“