Analyse: Island nach der Finanzkrise

Kopenhagen/Reykjavik (dpa) - Island stand als erstes Land in Europa vor der Staatspleite, weil die Banken sich überhoben hatten. Drei Jahre später gibt es einhelliges Expertenlob für intelligentes Krisenmanagement.

Die Meinungen über die Bewältigung des faktischen Staatsbankrotts auf der Atlantikinsel im Oktober 2008 gehen jedoch weit auseinander. „Dass viele tausend Menschen immer noch ihren Missmut zum Ausdruck bringen wollen, ist ein ernstes Alarmsignal“, sagte Staatspräsident Ólafur Ragnar Grimsson bei der Parlamentseröffnung am Wochenende. Wenige Minuten später musste er vor Wurfgeschossen aus der Mitte von 4000 Demonstranten flüchten. Vor allem durch Kredite hoffnungslos verschuldete Familienväter und -mütter machten hier ihrem Unmut Luft.

Das hielt Ministerpräsidentin Jóhanna Sigurdardóttir nicht davon ab, die wirtschaftliche Entwicklung Islands vor den Abgeordneten im „Althing“ als erfreulich darzustellen. Tatsächlich gibt es wieder solides Wachstum, der Staatshaushalt soll 2013 schwarze Zahlen schreiben. Der Kurs der zeitweise dramatisch entwerteten Landeswährung hat sich stabilisiert.

Schon im Sommer hatten die Kreditgeber vom Internationalen Währungsfonds (IWF) ihre Island-Mission mit kräftigem Lob abgeschlossen: Die Wikinger-Nachfahren hätten sich viel schneller durch intelligentes Krisenmanagement aus dem tiefsten Krisen-Morast befreit, als man das erwarten habe. Die Arbeitslosenquote (derzeit 8,5 Prozent) sei gleichwohl noch zu hoch.

Generell, so schrieb die zuständige Sprecherin Nemat Shafik auf der IWF-Homepage, habe „die isländische Bevölkerung große Entschlossenheit und Flexibilität unter schwierigen Bedingungen bewiesen“. Den Lohn dafür kann der „Interessenverband der Haushalte“ in Reykjavik ganz und gar nicht erkennen: 95 Prozent aller Schuldennachlässe seien an Unternehmen und fast nichts an Privathaushalte gegangen.

Für viele eine Katastrophe, denn in der Boom-Phase hatten die isländischen Banken ihre Kundschaft zu Krediten für Häuser, Jeeps und anderes in Auslandswährungen gelockt. Die Kosten für diese Kredite in Euro, Yen oder Pfund waren durch den Kronen-Absturz geradezu explodiert.

Viele Isländer wissen, dass sie ihre Schulden unter normalen Umständen nie im Leben abbezahlen können. Das schafft weit mehr Verbitterung als etwa die Verschlechterung der öffentlichen Infrastruktur - seien es Kindergärten oder seien es fehlende Mitarbeiter bei der Polizei.

Als Präsident Grimsson am Wochenende vor Eierwerfern und Buh-Rufen flüchtete, kletterte seine Ehefrau Dorrit Mousaieff demonstrativ über Polizeiabsperrungen, mischte sich unter die Protestierenden und umarmte etliche von ihnen. Doch die in Israel geborene, reiche Geschäftsfrau bekam die anhaltende Verbitterung in Island zu spüren. „Ich denke, du ziehst hier nur eine Show ab“, wies ein Isländer die First Lady als Mitdemonstrantin von sich.