Analyse: Kompromiss oder Totalblockade durch Republikaner?
Washington (dpa) - Noch schweben die Republikaner im Wahl-Triumph. Doch nach Amerikas politischer Rechtskurve muss die „Grand Old Party“ sich fragen, was eigentlich auf ihrer Agenda stehen soll. Zwei Jahre Blockade können sie sich nicht leisten - auch im Blick auf den Wahlkampf 2016.
Ted Cruz ging gleich wieder in die Vollen. „Washington, bereite dich darauf vor, zu Jammern!“ twitterte der republikanische Senator nach dem Sieg seiner Parteikollegin Joni Ernst im US-Bundesstaat Iowa in der Wahlnacht. Die Gesundheitsreform von Präsident Barack Obama sei ein „Wrack“, das gestoppt werden müsse.
Der Tea-Party-Mann schlägt schon jetzt Töne an, die auf eine weitere erbitterte Blockade der Republikaner im Kongress hindeuten - und gar auf den nächsten „Shutdown“, den kompletten Regierungsstillstand.
Doch ganz so einfach werden es sich die Republikaner nicht machen können. Im Wahlkampf war die Anti-Haltung gegen Obama und so ziemlich das gesamte Washingtoner Establishment noch die Wunderwaffe, um den Demokraten die Mehrheit im Senat zu entreißen. Jede neue Krise im Weißen Haus wurde prompt in einen TV-Werbespot verwandelt, jeder demokratische Gegner wurde inhaltlich mit dem unbeliebten Präsidenten verknüpft. Wie oft ein Demokrat für Obamas Vorhaben gestimmt hatte, war die Hauptaussage vieler Negativ-Kampagnen der Republikaner.
Nachdem sie auf dem Rücken von Obamas schlechten Umfragewerten zum Sieg geritten sind, steht nun die harte Arbeit bevor. Ihr Sieg bringe auch mehr Verantwortung für das Schicksal des Landes mit sich, schreibt die „New York Times“. Sie müssten nun nach Ergebnissen suchen, statt anderen nur Versagen vorzuwerfen. Schon wegen des anstehenden Präsidentschaftswahlkampfs müssen sie zeigen, dass sie nicht nur blockieren, sondern auch regieren können.
Das Problem ist: Von einer politischen Agenda der Partei gab es in diesem Anti-Wahlkampf kaum eine Spur. Bis am 3. Januar der 114. Kongress zu seiner ersten Sitzung zusammenkommt, müssen sie dieses Vakuum gefüllt haben. Es herrscht weder Konsens über den Umgang mit strittigen Themen, noch besteht eine klare Hierarchie innerhalb der Partei. Dem wahrscheinlichen neuen Mehrheitsführer im Senat, Mitch McConnell, hat Ted Cruz jedenfalls schon den Kampf angesagt und kündigte an, den 72-Jährigen nicht zu unterstützen.
Es spricht viel dafür, dass die Partei ihre Trotzhaltung aufgeben und sich zumindest in einigen Fragen mit Obama und seinen Demokraten an den Tisch setzen wird. Allein weil sie im Senat nicht die 60 Sitze errungen hat, die nötig sind, um eine Debatte zu beenden und eine Abstimmung über ein Gesetz zu erzwingen. Senator Rob Portman aus Ohio will laut „Washington Post“ etwa bei der Gesetzgebung im Energiebereich sowie beim Freihandelsabkommen, der Steuerreform und einer verantwortungsvollen Haushaltspolitik auf Obamas Partei zugehen. Auch McConnell hat Kompromissbereitschaft angedeutet.
Zugleich werden gewählte Kandidaten jedoch ihr Versprechen halten wollen, entscheidenden Vorhaben wie der Einwanderungsreform oder Teilen von Obamas Gesundheitsreform den Riegel vorzuschieben. Der alte, neue Republikaner-Star McConnell will etwa eine Anhebung des Mindestlohns stoppen und Vorschriften über den Ausstoß von Kohlendioxid bekämpfen. Es wird sich also zeigen, wie weit er Obama seine Hand tatsächlich ausstreckt.
Zumindest gelang es dem republikanischen Urgestein, im konservativen Flügel seiner Partei etwas aufzuräumen. Die zu extremen Köpfe der Tea Party-Bewegung wurden vor der Wahl aus dem Rennen gezogen, etwa Chris McDanil im Staat Mississippi. „Die gesamte republikanische Partei in Washington tat alles, was sie konnte, um die wahren Konservativen fernzuhalten“, sagte er laut „Washington Post“. Alte Kampagnen wurden generalüberholt, Medien-Trainer halfen, große Patzer zu vermeiden.
Mit dem Machtzugewinn sind Rangeleien innerhalb der „Grand Old Party“ vorprogrammiert, auch mit Blick auf das Jahr 2016. Floridas Senator Marco Rubio hat seinen Hut als Präsidentschaftskandidat schon in den Ring geworfen, Rand Paul aus Kentucky gilt ebenfalls als Anwärter auf das Weiße Haus. Und John Boehner, der nun Sprecher eines noch stärker von Republikanern kontrollierten Repräsentantenhauses ist, wird bei alledem auch noch ein Wörtchen mitreden wollen.