Analyse: Merkel im Schatten der SPD

Berlin (dpa) - Es läuft schlecht für die CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin. Gerade erst hatte Angela Merkel etwas mehr Ruhe in ihre schwarz-gelbe Koalition bekommen, die sich fast ein ganzes Jahr lang an gemeinsames Regieren erst gewöhnen und viele Scherben kitten musste.

Doch nun ist der Start ins Superwahljahr 2011 mit der Hamburger Bürgerschaftswahl und der dramatischen Niederlage für die Christdemokraten gründlich missglückt. Und Merkel kann sich nicht damit trösten, dass Ergebnisse in einem Stadtstaat kaum als Bundestrend taugen. Denn sie hat noch andere höchst heikle Probleme.

Während der SPD in Hamburg mit dem eher wenig charismatischen Ex-Bundesarbeitsminister Olaf Scholz die Sensation von 48,3 Prozent und damit der absoluten Mehrheit gelang, schlug für Merkel nicht nur die Halbierung der CDU-Wählergunst auf 21,9 Prozent voll ins Kontor. Am Sonntag konnte sie wieder viele kritische Berichte über ihren Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) lesen, der bei seiner Doktorarbeit von anderen abgeschrieben haben soll. Sogar Rücktrittsgerüchte machten die Runde. Und obendrein deutete sich bei den Hartz-IV-Verhandlungen eine schwere Schlappe für sie an.

Denn vermutlich hat sich Merkel - vielmehr ihre Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) - bei der Regelsatzerhöhung verrechnet. Dabei hatte die Kanzlerin von der Leyen geradezu Feuerschutz in der Hartz-IV-Debatte gegeben. Es bleibe bei der Erhöhung um 5 Euro, lautete der Schlachtruf gegen die SPD. Auch Vizekanzler und FDP-Chef Guido Westerwelle sowie die Koalitionsfraktionen wichen keinen Cent davon ab. Darüber kam es sogar zur Schreierei in der CSU, deren Landesgruppe im Bundestag das Einschwenken von Parteichef Horst Seehofer auf die Kompromissformel 8 Euro für idiotisch hielt. Am Sonntag hieß es dort: „Wir sind stinksauer auf die Ministerin.“

Mit Guttenberg und von der Leyen hat Merkel bislang in der Bevölkerung enorm punkten können. Merkels beide wichtigen Aufsteiger im Kabinett haben nun noch vor der ersten der sieben Landtagswahlen Schrammen abbekommen - und damit wohl auch Merkel selbst. Für die Opposition könnte es gar nicht besser laufen.

Die bei der Bundestagswahl 2009 arg gebeutelte SPD von Parteichef Sigmar Gabriel und ihre Anhänger blicken nun hochmotiviert auf die nächste Wahl am 20. März in Sachsen-Anhalt. Dort regiert sie als kleiner Partner in einer großen Koalition und rechnet fest mit einer weiteren Regierungsbeteiligung. Die Linke kann ihr Glück kaum fassen, dass sie mit 6,4 Prozent wieder in die Hamburger Bürgerschaft eingezogen ist. Damit haben ihre mit wenig Fortune agierenden Bundesparteichefs Gesine Lötzsch und Klaus Ernst wieder Oberwasser. Ernst sieht seine Partei als „Korrektiv“ im Westen angekommen.

Merkel hatte die Wahl in Hamburg nach dem Bruch der dort regierenden ersten deutschen schwarz-grünen Koalition auf Landesebene Ende 2010 früh verloren gegeben. Dabei ließ sie mehr Unmut über Ole von Beust (CDU) erkennen, der sich als Bürgermeister im Sommer ins Privatleben zurückgezogen und den Stab an Christoph Ahlhaus übergeben hatte. Denn von Beust stand für das schwarz-grüne Experiment und nicht der konservativere Ahlhaus. Ein schwacher Trost für die CDU ist, dass nun auch die Grünen nicht weiterregieren werden.

Der Staatsminister im Kanzleramt, Eckart von Klaeden (CDU), bemühte sich am Sonntagabend, die Bundespartei möglichst schadlos von dem katastrophalen Wahlverlust in Hamburg zu halten. Bei der Wahl sei es vor allem um Themen der Hansestadt gegangen. Ganz anders argumentierte FDP-Generalsekretär Christian Lindner, dessen Partei erstmals seit 2004 wieder in die Hamburger Bürgerschaft eingezogen ist. „Wer hätte ein solches Ergebnis noch vor wenigen Wochen für möglich gehalten“, sagte er mit Blick auf die desaströsen Umfragewerte der FDP im Bund von unter fünf Prozent. Das sei ein wichtiges Signal, dass mit der FDP bundespolitisch zu rechnen ist.

Und so hat sich auch für FDP-Chef Westerwelle das Blatt innerhalb weniger Wochen gedreht. Während Guttenberg stets der strahlende Politstar des Kabinetts war und Westerwelle in seinem Amt als Außenminister angestrengt und als Parteichef fast schon abgeschlagen wirkte, ist Westerwelle nun im Aufwind und Guttenberg massiv unter Druck. Westerwelle verbesserte mit dem Hamburger Erfolg seine Chancen, im Mai auf dem FDP-Parteitag als Vorsitzender wiedergewählt zu werden. Das hätte vor kurzem wirklich kaum jemand für möglich gehalten.