Analyse: Merkels Mai 2012 - Das Regieren wird schwerer
Berlin (dpa) - Noch nie in ihrer Amtszeit als Bundeskanzlerin hatte ein Wahlsonntag so starke innen- und auch europapolitische Auswirkungen wie dieser 6. Mai 2012.
In Frankreich und Griechenland bläst Angela Merkel kräftig der Wind gegen ihr Projekt Fiskalpakt entgegen. Und in Deutschland muss sie um die regionale Macht ihrer CDU bangen.
Die Landtagswahl in Schleswig-Holstein bedeutet für die CDU-Chefin Verlust und Gewinn zugleich: Die Christdemokraten konnten aus dreijähriger Regierungsführung in Kiel kaum Kapital schlagen. Nach ersten Ergebnissen vom Sonntagabend wurden sie zwar wieder knapp stärkste Kraft, fuhren aber eines der schlechtesten Ergebnisse seit 1950 ein. Wiedergewinnen könnte Merkel aber eine Machtoption.
Denn falls der klare FDP-Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde im Norden den Anfang der Rettung der schon totgesagten Partei von Vizekanzler Philipp Rösler bundesweit markiert, dann ist Schwarz-Gelb immerhin wieder denkbar.
Am nächsten Sonntag wählt Nordrhein-Westfalen. Wahlen in dem bevölkerungsreichsten Bundesland gelten als Vorboten für den Bund. Es gilt als unwahrscheinlich, dass die CDU mit Bundesumweltminister Norbert Röttgen als Spitzenkandidat gewinnen wird.
Aber sollten die Freien Demokraten auch in NRW den Wiedereinzug in den Landtag schaffen, dürfte sich Merkels Ausgangsposition für die Bundestagswahl 2013 wieder verbessern. Schließlich erklärt Merkel die christlich-liberale Koalition trotz gravierender Probleme seit Amtsbeginn 2009 weiterhin zu ihrem Wunschbündnis.
Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion im Bundestag, Peter Altmaier (CDU), färbte die Abwahl der schwarz-gelben Landesregierung im Norden erst einmal schön: CDU und FDP hätten mehr Stimmen bekommen, als beiden Parteien laut Umfragen zusammen zugetraut worden sei. Altmaier forderte „staatspolitische Verantwortung“ ein - und meint damit vermutlich eine große Koalition.
Vielleicht verliert die CDU aber die Macht an die SPD. Diese würde am liebsten die sogenannte „Dänen-Ampel“ mit Grünen und dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) aufstellen. Wenn das nicht reicht, könnte sie womöglich auf die klassische Ampel mit Grünen und FDP setzen.
An der Regierung bleiben könnte die CDU noch mit „Jamaika“ - einem Bündnis mit Grünen und FDP. Doch ein solches Dreierbündnis wollten die Christdemokraten nach den schlechten Erfahrungen im Saarland eigentlich vermeiden.
Fest steht: Die langjährigen Modelle Schwarz-Gelb und Rot-Grün haben durch Linke und Piraten immer weniger Chancen auf eine eigene Mehrheit. In Schleswig-Holstein wurden die Linken mit ihrem klaren Scheitern an der Fünf-Prozent-Hürde ausgebremst - stattdessen steigen nun die Piraten auf, die nach Berlin und dem Saarland zum dritten Mal innerhalb eines Dreivierteljahres ein Landesparlament erobern. In Frankreich bricht Merkel mit einem Sieg von François Hollande über Nicolas Sarkozy bei der Präsidentenwahl ein treuer Fiskalpakt-Verfechter weg. Mit dem Sozialisten Hollande dürfte sie mehr Kompromisse eingehen müssen, als ihr lieb sein können.
Auch wenn der im Frühjahr von 25 EU-Staaten unterschriebene Fiskalpakt kaum komplett neu ausgehandelt werden wird, wie es Hollande fordert. Für seine Pläne eines zusätzlichen Wachstumspakts gibt es aber auch in anderen Staaten große Sympathien.
Womit Merkel am Sonntag gleich nach Griechenland blicken konnte. Im Wahlkampf rankte sich dort alles um das umstrittene harte Sparprogramm für die Griechen. Es war vor allem die Bundeskanzlerin, die von Athen eigene Anstrengungen forderte, bevor die EU-Partner zahlen. Die Stimmung in Griechenland richtete sich zum Teil stark gegen die deutsche Regierungschefin, die selbst unter großer Anstrengung die Griechenland-Hilfen im Bundestag durchkämpfte.
Nach ersten Prognosen ziehen in das griechische Parlament die Rechtsradikalen ein, und die Linksextremen können starken Zulauf verbuchen. Beide Lager machen sich für eine Lockerung der Vorgaben für das vom Staatsbankrott bedrohte Land stark. Ob Konservative und Sozialisten, die den Sparkurs fortführen wollen und für den Verbleib in der Euro-Zone kämpfen, das abwenden können, erschien noch offen. Außen- wie innenpolitisch wird es für Merkel erst einmal schwerer.