Analyse: Moskau nimmt über viele Kanäle Einfluss bei Nachbarn

Moskau/Belgrad (dpa) - Russlands Ukraine-Politik löst bei Kanzlerin Angela Merkel große Beunruhigung aus. Moskaus offene Einflussnahme in Osteuropa könne einen Flächenbrand auslösen, warnt sie bei einem Besuch in Australien.

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Gefährdet sind demnach die früheren Sowjetrepubliken Moldau und Georgien, und auch auf dem Westbalkan will der Kreml danach seine Interessen stärker zur Geltung bringen.

Moldau blickt mit Sorge auf den blutigen Konflikt in der Ostukraine. Groß ist die Angst, Russland könne Unruhen auch in das kleine Land zwischen Rumänien und der Ukraine tragen, in dem rund 20 Prozent der 3,5 Millionen Einwohner russisch sprechen. Im seit 1990 abtrünnigen Gebiet Transnistrien an der Ostgrenze Moldaus werden seit dem Aufflammen der Ukraine-Krise die Rufe nach einem Anschluss an das Riesenreich lauter.

„Eine Vereinigung mit Russland ist das Hauptziel unserer Außenpolitik“, sagt Transnistriens „Außenministerin“ Nina Schtanski der Deutschen Presse-Agentur. Schätzungen zufolge sind seit einem blutigen Krieg Anfang der 1990er Jahre rund 2000 russische Friedenstruppen am Grenzfluss Dnjestr stationiert.

Vor der als Schicksalswahl geltenden Parlamentswahl am 30. November dreht sich in Chisinau daher alles um Russland. Die Regierung strebt den Beitritt Moldaus zur EU an und hat ein Assoziierungsabkommen mit Brüssel abgeschlossen. Die Opposition sieht die Zukunft des Landes in einer Annäherung an die von Russland dominierte Zollunion.

Auch die Südkaukasusrepublik Georgien spaltet ein Richtungsstreit zwischen dem proeuropäischen und dem prorussischen Lager. Die Opposition wirft Regierungschef Irakli Garibaschwili vor, zu moskaufreundlich zu entscheiden. Tausende demonstrierten am Wochenende in Tiflis. Ein interner Kabinettsstreit über den Westkurs des Landes hatte Anfang November eine Regierungskrise ausgelöst.

Befeuert wird der politische Konflikt von der umstrittenen Abspaltung der Provinzen Abchasien und Südossetien. Diese hatte Russland 2008 nach einem kurzen Krieg mit Georgien als unabhängig anerkannt und unterstützt sie offen. Der Westen kritisiert dies.

Moskau sieht offensichtlich aber nicht nur bei den unmittelbaren Nachbarn seine Einflusszonen. Auch auf der westlichen Balkanhalbinsel mischt das Land mit. Bei vielen Regierungschefs wie in Serbien, Mazedonien und Montenegro genießt Putins Art zu regieren offene Bewunderung. Mächtige Oligarchen, die weitgehende Kontrolle der Medien und straff nach dem Führerprinzip organisierte Regierungsparteien kopieren die russische Blaupause.

Auf dem Balkan ist der wichtigste Verbündete der EU-Beitrittskandidat Serbien. Das Land hatte 2008 seine Erdölindustrie selbst nach Darstellung des damaligen Wirtschaftsministers Mladjan Dinkic zum Spottpreis an Russland verhökert, um sich das Wohlwollen des öffentlich gelobten „großen Bruders“ zu erkaufen. Im Süden des Landes hat Moskau bei der Stadt Nis in diesem Jahr ein „Humanitäres Zentrum“ errichtet, das Kritiker als verdeckte Militärbasis bezeichnen.

Vor einem Monat zelebrierte Serbien zu Ehren Putins nach Jahrzehnten wieder eine große Militärparade. Vergangene Woche fand eine ganz und gar ungewöhnliche Militärübung russischer und serbischer Einheiten vor den Toren Belgrads statt. Am Sonntag weihte der russische Patriarch Kirill im Zentrum der serbischen Hauptstadt eine Statue des letzten Zaren Nikolaus II. ein und brachte auch politische Botschaften für ein Zusammenstehen beider Länder in Krisenzeiten mit.

Im benachbarten Bosnien-Herzegowina nutzt Russland die serbische Landeshälfte als Einfallstor. Hier konnte Moskau die einzige Raffinerie des Landes in Brod supergünstig ergattern. Wie in Serbien lockt Russland mit günstigen Großkrediten. Im kleinen Montenegro haben oft zwielichtige Geschäftsleute große Teile der Adriaküste gekauft. Geld spielte dabei offenbar keine Rolle, so dass ein kleiner „Goldrausch“ im Land ausgelöst wurde. Doch jetzt folgt der Katzenjammer: Teile der pittoresken Steilküste sind durch die Bauwut verschandelt, ganze Viertel mit russischen Apartments entziehen sich der öffentlichen Kontrolle und führen ein Eigenleben.

Und Russlands Interessen? Neben dem offenen Kampf des Kreml um Einflusssphären in Osteuropa sieht sich Präsident Putin Beobachtern zufolge in einem Kreuzzug gegen einen vom westlichen Liberalismus befeuerten Werteverfall. Dem stellt sich Putin seit Jahren entgegen, nicht zuletzt mit einer demonstrativen Nähe zur Russisch-Orthodoxen Kirche.