Analyse: Mubarak bleibt - Ratlosigkeit in den USA
Washington (dpa) - Bis zuletzt war das Weiße Haus zurückhaltend. Obwohl die Anzeichen für einen möglichen Rücktritt des ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak am Donnerstag im Minutentakt eindeutiger wurden, gab sich die US-Regierung betont vorsichtig.
Präsident Barack Obama, der eine Wirtschaftsrede in Michigan hielt, als sich in Kairo die Ereignisse überschlugen, blieb bei seiner unverbindlichen Wortwahl der vergangenen Wochen. Auch Offizielle in Washington unkten, man glaube an einen Rücktritt ohnehin erst, wenn er tatsächlich passiert sei.
Was wie Unsicherheit wirkte, war wahrscheinlich eine schlaue Reaktion. Statt vorzeitig den Rücktritt des Dauer-Herrschers am Nil zu feiern, bewahrte das Weiße Haus die Ruhe. „Wir müssen warten und sehen, was passiert“, sagte Obama. Die Rede Mubaraks schaute er sich an Bord des Präsidentenflugzeugs auf dem Rückweg von Michigan an. Danach traf er sich mit seinem nationalem Sicherheitsteam.
Die Bedachtsamkeit der Regierung am Donnerstag war ein perfektes Spiegelbild der vergangenen Wochen. Seit die Unruhen in Kairo ausbrachen, wog das von der Wucht des Umbruchs überraschte Weiße Haus seine Worte stets äußerst sorgsam ab. Was Obama von Mubarak erwartete, kleidete er zumindest öffentlich nur in diplomatische Formeln. Unablässig sprach er von einem „geordneten Übergang“, der „jetzt“ beginnen, „unumkehrbar“ und „konkret“ sein müsse. Das Wort „Rücktritt“ jedoch kam ihm bis zuletzt nicht über die Lippen.
Kritiker sprachen schnell von einem unsäglichen Schlingerkurs, von einer vor Angst paralysierten Regierung. „Welche Nachricht wir auch immer zu senden versuchen, es dringt nur durch, dass wir weiter die bestehende Ordnung gut finden“, beklagte noch am Donnerstag die „New York Times“. Das könne dem künftigen Ansehen der USA in einem Ägypten nach der Mubarak-Ära nur schaden. Nach der Rede des Ägyptischen Machthabers hat sich diese Einstellung in den US-Medien noch verstärkt. Kommentatoren zeigten sich enttäuscht, dass der Despot noch immer an seiner Macht klebt.
Für die Regierung jedoch schien ein allzu schneller Abschied ohnehin nicht wünschenswert gewesen. Sie sind unsicher, was ihnen nach dem Rückzug ihres engsten Verbündeten drohen könnten. Ihre größte Sorge ist, dass Mubarak ein Machtvakuum hinterlässt, das nicht nur Ägypten, sondern die ganze Region ins Chaos stürzt. Groß ist auch die Ungewissheit, ob die künftigen Machthaber der USA wohlgesonnen sind. Und wie sie zu Israel oder dem Iran stehen könnten. Die Muslimbruderschaft jedenfalls könne nicht die einzige Alternative sein, stellte Obama kürzlich klar.
Auch Mubaraks bisheriger Vize Omar Suleiman, der das Zepter nun übernehmen soll, ist der Regierung nicht geheuer, nachdem er jüngst in einem Interview erklärte, Ägypten sei noch nicht reif für Demokratie. So etwas ist nicht akzeptabel“, richtete Obamas Sprecher Robert Gibbs ihm öffentlich aus. Suleiman sei genau so durch und durch ein Autokrat wie der bisherige Dauer-Herrscher am Nil, meint der profilierte US-Kolumnist Nicholas Kristof.
So musste Obama trotz aller Bedenken einsehen, nicht mehr allzu lang auf Zeit spielen zu können. Ein Präsident, der sich stets für Verbreitung der Demokratie in der Welt stark macht und auf der richtigen Seite der Geschichte stehen möchte, könne nicht zugleich ein Unterdrückerregime dulden, kommentierte die „Washington Post“.
Daher blieb der US-Regierung in den vergangenen Tagen kaum etwas anderes übrig, als Mubarak nach und nach fester in den Schwitzkasten zu nehmen. „Rund um Uhr“ hätten die diplomatischen Drähte zwischen beiden Staaten geglüht, ließ Gibbs am Mittwoch durchblicken. Am Ende lautete die Parole aus Washington, dass der Herrscher zumindest die „Minimalforderungen“ des Volkes erfüllen sowie einen konkreten Zeitplan für seinen Rückzug vorlegen musse. Ob Mubaraks Teilrückzug den Amerikanern reicht, muss sich noch zeigen.