Analyse: Mubarak - Sturer Staatsmann ohne Visionen
Kairo (dpa) - Ägyptens früherer Präsident Husni Mubarak ist zwar politisch erledigt. Doch allein die Nennung seines Namens reicht noch immer aus, um die Gemüter seiner Landsleute zu erregen wie kaum ein anderes Wort.
Jetzt steht er vor der Freilassung.
Mubarak hatte jahrzehntelang die Macht in den Händen. Fast 30 Jahre lang regierte der Sohn eines Beamten das bevölkerungsreichste arabische Land. Dann jagten ihn die Ägypter 2011 mit Dauerprotesten aus dem Amt.
Als der Druck der Straße zu groß wurde und Unruhen das Wirtschaftswachstum gefährdeten, drängten ihn seine Generäle zum Rücktritt. Ohne die Demonstranten, die Anfang 2011 auf dem Tahrir-Platz in Kairo, in Alexandria und in Suez tagelang Parolen gegen den Staatschef schrien, wäre er vermutlich wie seine Vorgänger bis zu seinem Tod Präsident geblieben.
Am 11. Februar 2011 gab Mubarak die Macht ab. Am 2. Juni 2012 verurteilte ein Strafgericht den 85-Jährigen wegen der Mitschuld am Tod von über 800 Demonstranten zu lebenslanger Haft. Im Gerichtssaal zeigte Mubarak keine Reue. Das Urteil wurde später wegen Verfahrensfehlern aufgehoben, der neue Prozess ist noch nicht abgeschlossen.
Sein moderater außenpolitischer Kurs und seine ständigen Bemühungen als Vermittler im Nahost-Konflikt hatten Mubarak einst zu einem verlässlichen Partner für den Westen gemacht. Dafür drückten die Verbündeten in den USA und Europa auch gerne ein Auge zu, wenn die Führung in Kairo Menschenrechte verletzte, Wahlen manipulierte und andere undemokratische Praktiken zuließ.
Wie seine Vorgänger Gamal Abdel Nasser und Anwar el Sadat gelangte auch Mubarak, der im Krieg gegen Israel 1973 die Luftwaffe befehligte, über eine militärische Karriere an die Spitze des Staates. 1975 ernannte ihn Sadat zum Vizepräsidenten. Daher fiel Mubarak nach dessen Ermordung 1981 das höchste Staatsamt zu.
Mubarak war etwa 20 Jahre lang unangefochten der einflussreichste Staatschef der Region. Erst in seinen letzten Amtsjahren machte ihm der noch ältere saudische König Abdullah diesen Titel streitig. Der Monarch nutzte sein Prestige als „Hüter der heiligen Stätten“, um sich als „islamische Führungspersönlichkeit“ gegen Mubarak zu profilieren, der die Islamisten stets auf Abstand hielt. König Abdullah soll über Mubaraks Verhaftung jedoch später sehr wütend gewesen sein. Angeblich versuchte er, die neue ägyptische Führung dazu zu bewegen, den Ex-Präsidenten freizulassen.
Innenpolitisch fuhr Mubarak einen Zickzack-Kurs. Gegen islamistische Extremisten, die in den 1990er Jahren Intellektuelle, ausländische Touristen, koptische Christen und Staatsdiener töteten, ging er mit harter Hand vor. Später machte er aber große Zugeständnisse an die weniger radikalen Islamisten, als er sah, dass deren Einfluss in der Bevölkerung kontinuierlich zunahm.
Seinen Prozess erlebte Mubarak als kranker Mann. Die Haftzeit verbrachte er abwechselnd in einem Militärkrankenhaus und in einer Gefängnisklinik. Obwohl er im Gefängnis einige Male seelische Krisen durchgestanden haben soll, setzte er im Gerichtssaal mehrfach ein trotziges Gesicht auf oder lächelte überlegen als wolle er sagen: „Wer zuletzt lacht, lacht am besten“.
Das frühere Mubarak-Lager spielt inzwischen kaum noch eine Rolle: Einige Anhänger und auch Gegner machten zwar immer mal wieder vor dem Gericht auf sich aufmerksam und schrien sich gegenseitig an. Außerdem sehen einige Ägypter in der aktuellen politischen Entwicklung eine Konterrevolution. Den Vorschlag, dass Mubarak in die Verantwortung zurückkehren soll, macht ernsthaft aber niemand.