Analyse: „Schicksalstag für Griechenland“
Athen (dpa) - Griechenland im Ausnahmezustand, dieses Bild zeichnen zumindest die Medien.
So zeigt das Fernsehen beispielsweise einen Bericht aus einer Schule, wo Lehrer Christos Katsikas zu Wort kommt: „Die Lage wird immer schlimmer. Wir haben schon Fälle, wo Schüler in Ohnmacht fallen, weil sie tagelang nicht vernünftig gegessen haben.“ Das seien Kinder aus Familien, wo beide Eltern infolge der Schuldenkrise arbeitslos seien. In ganz Griechenland macht sich offensichtlich ein Gefühl von Hilfslosigkeit breit.
Das wirtschaftliche Schicksal der stolzen Nation liegt in an diesem Mittwoch in den Händen der Staats- und Regierungschefs beim Euro-Krisengipfel in Brüssel. Kommentatoren erwarten, dass die Brüsseler Entscheidungen Wirtschaft und Politik auf Jahre prägen wird.
Wissenschaftler machen keinen Hehl daraus, was auf die Griechen zukommt. „Es wird uns weh tun. Ich sage das ganz klar“, sagt Ökonomie-Professor Panagiotis Liargovas von der Universität von Pelponnes. Griechenland müsse - so schwer es auch werde - endlich mit der Schuldenpolitik brechen. Dies bedeute natürlich auch, dass die Griechen nur noch so viel konsumieren wie sie auch verdienen.
Der Bevölkerung machen die Konsequenzen eines radikalen Politikwechsels Angst: Gehen die Banken pleite? Verlieren die Pensions-und Rentenkassen ihr Einlagen? Wie sollen bei schrumpfenden Wirtschaft ausreichend Arbeitsplätze entstehen - vor allem für die schon jetzt frustrierte junge Generation? Seit Wochen titeln die Zeitungen mit deprimierenden Schlagzeilen, die immer mehr Gewissheit werden.
Am Dienstag liest sich das so. „Sie geben den Rentenkassen den Gnadenschuss“, schreibt die linksliberale Athener Zeitung „Eleftherotypia“. Das Arbeitsinstitut der größten griechischen Gewerkschaftsverbandes GSEE geht davon aus, dass die Rentenkassen mehr als elf Milliarden Euro bei einem Schuldenschnitt von 50 Prozent verlieren würden. „Mit der Axt auf die Renten los“, titelt die konservative Boulevardzeitung „Eleftheros Typos“.
Finanzminister Evangelos Venizelos versucht, die Menschen zu beruhigen. Das Gegenteil sei der Fall, sagt der Minister. Die Entscheidungen bei Brüsseler Krisentreffen bewirkten, dass die Rentenkassen sicher blieben.
Auch der sozialistische Ministerpräsident Giorgos Papandreou kämpft gegen die allgemeine Verunsicherung. Bei einem Treffen mit Staatspräsident Karolos Papoulias erklärt Papandreou: „Wir kämpfen hat, um das griechische Volk von der Bürde, das es trägt, zu entlasten“, sagt Papandreou und wiederholt. Das, was das Land am dringendsten brauche sei, die Ruhe und die Eintracht zu bewahren.
Die Brüsseler Entscheidungen werden nach Einschätzung vieler Beobachter einschneidende Konsequenzen für die Politik des Landes haben. Finanzminister Venizelos will endlich auch die konservative Opposition für die Grausamkeiten der Regierung haftbar machen. Das nächste Rettungs- und Stabilisierungsprogramm soll vom Parlament mit einer Drei-Fünftel-Mehrheit - sprich 180 Stimmen - billigen lassen. Dazu wären neben 153 Sozialisten auch einige der 85 Abgeordneten aus dem Lager der bürgerlichen Oppositionspartei Nea Dimokratia im Parlament mit seinen 300 Sitzen nötig.
Für die Bürger macht es offensichtlich keinen Unterschied, wer von beiden großen Parteien am Ruder ist. Sie zürnen ganz generell der Kaste der Politiker. Viele Anhänger von Sozialisten und Konservative müsse um ihre bislang sicheren Jobs im aufgeblähten Staatsapparat fürchten. Für sie geht es um die Existenz. Schon jetzt müssen sie vielfach auf ein Drittel der Löhne. Die Sozialisten sind es leid, allein den Ärger auf sich zu ziehen und offensichtlich entschlossen, das bürgerliche Lager vor die Alternative Mit-Verantwortung oder Neuwahlen zu stellen.