Analyse: Schlinge um Berlusconis Hals zieht sich zu
Rom (dpa) - Der ewige Sieger lächelt nicht mehr. Zu eng haben Staatsanwälte und Richter die Schlinge um seinen Hals gezogen: Silvio Berlusconi muss, wenn er nicht doch noch einen letzten Ausweg findet, am Morgen des 6. April vor einem Mailänder Gericht erscheinen.
Peinliche Vorstellung: Der 74-jährige geliftete Lebemann, Medienmogul und Regierungschef steht dann ausgerechnet vor drei Frauen, die über seine Affäre mit der minderjährigen Marokkanerin „Ruby“ richten.
So werde der gerechte Zorn der Göttin Nemesis über ihn hereinbrechen, die Überheblichkeit bestrafe, meint das katholische Magazin „Famiglia Cristiana“ über diesen Mann mit dem Hang zu jungen Schönen. Während der Mailänder Milliardär sich immer als verfolgtes Unschuldslamm sieht, trägt ihm die ansonsten eher ohnmächtige und zerstrittene Opposition jetzt diesen Wunsch vor: Tritt doch endlich zurück, erspare Italien einen Regierungschef vor Gericht.
Sechs Tage hat Ermittlungsrichterin Cristina Di Censo gebraucht, um sich durch den riesigen Aktenberg zu quälen, den ihr die ehrgeizigen Staatsanwälte auf den Tisch gehievt haben. Ein Schnellverfahren gegen Berlusconi wegen Amtsmissbrauchs und Sex mit minderjährigen Prostituierten sei durch die Beweislage gerechtfertigt, hatten sie noch gemeint. Ganz Italien rätselte tagelang, ob Di Censo wirklich in beiden Anklagepunkten dem schnellen Prozess zustimmen würde, es gab eine Hand voll Alternativen. Aber sie tat es dann doch.
Berlusconi inszeniert sich in der Zwischenzeit als tatkräftiger Landesvater. Seit 17 Jahren beherrscht er die Politik Italiens, auch wenn er zwischendurch mal nicht am Ruder war. Bei Catania auf Sizilien besichtigt er eine große Residenzanlage, die Tausende Bootsflüchtlinge aufnehmen könnte. Der Flüchtlingsstrom zur kleinen Insel Lampedusa macht Sofortmaßnahmen notwendig. Ein „Dorf der Solidarität“ könnte dort entstehen, Berlusconi will in den nächsten Tagen entscheiden.
Was er von den Vorwürfen „linker“ Staatsanwälte und Richter hält, die ihn nur zu Fall bringen wollten, das hat er oft genug lauthals kundgetan. „Neopuritanismus“ in der italienischen Gesellschaft treibe Frauen auf die Straße, die wegen seines angeblich wüsten Sexlebens seinen Rücktritt verlangten. Dabei habe es bei den Partys in seiner Villa nach dem Essen doch nur Karaoke und Filmvorführungen gegeben, so der 74-Jährige. Sein Außenminister Franco Frattini brachte sogar die Idee ins Spiel, der Ministerpräsident könne sich an den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte wenden, weil er bespitzelt und abgehört worden sei.
Er sei schon ein „kleines Sünderlein“, räumt Berlusconi gerne ein, denn das kann so mancher Italiener noch gut verstehen. Immer wähnte er die Wähler hinter sich, gab auch im Ausland mit Umfragewerten an. Doch zu der ganz massiven Breitseite der Mailänder Justiz gesellen sich jetzt die Massendemonstrationen in „bella Italia“ gegen seine Person. Und diese Forderung: „Nach Mubarak Silvio Berlusconi“, wie um nun einen Pharao vom Tiber aus dem Amt zu jagen. Und zu denken muss ihm auch geben, dass sein Stern in den Umfragen erheblich verblasst. Immer wieder taucht also die Frage auf, wann es Neuwahlen geben wird.
Götterdämmerung in Rom? Vielleicht. Womöglich hat der Mann endgültig überzogen, der wohl meinte, sich alles erlauben zu können. Sperrig im juristischen Raum steht noch die Einschätzung der Abgeordnetenkammer, die Mailänder Justiz sei im „Fall Ruby“ gar nicht zuständig, sondern vielmehr ein Minister-Gericht. Und dann arbeitet der Cavaliere noch daran, sich zumindest für die anderen Verfahren um Korruption und Steuerbetrug doch wieder einen Schutzschild von seiner knappen Mehrheit im Parlament basteln zu lassen. In der Tat hat er in den vergangenen Jahren alle Wahlen klar gewonnen - und leitete daraus ab, sich den Richtern nicht beugen zu wollen oder zu müssen. Doch nun wird sich in den nächsten Wochen zeigen, wie er das durchstehen kann.