Analyse: Schwieriges Ringen um Griechenland-Rettung

Brüssel (dpa) - Der Countdown für Griechenland läuft unerbittlich: Ohne Hilfspaket der Euro-Länder ist Athen Anfang Juli pleite. Doch während sich die Krise zuspitzt, verhakt Europa sich in einem bizarren Streit - ausgelöst von deutschen Maximalforderungen.

Es geht um die Details einer neuen Notfallhilfe von bis zu 120 Milliarden Euro für Athen und die Beteiligung von Banken und Versicherungen an den Kosten. Ein neues Notpaket ist Voraussetzung dafür, dass die nächste Tranche an Hilfskrediten Ende Juni an Athen ausgezahlt wird.

Beim Krisentreffen der Euro-Finanzminister am Dienstagabend in Brüssel sorgte Deutschland für Ärger. „Im Saal hat es mächtig gekracht“, berichtete ein EU-Diplomat. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Notenbank-Präsident Jean-Claude Trichet blieben in der Frage unversöhnlich. Medien sprechen bereits von einem „Kalten Krieg“ („Spiegel“) zwischen Bundesregierung und Europäischer Zentralbank (EZB). So angespannt war die Stimmung, dass sich die Minister noch nicht einmal auf eine Erklärung zur Solidarität mit Athen einigen konnten - ein ungewöhnlicher Vorgang.

Eine Lösung kann wohl nur auf höchster Ebene gefunden werden, wenn am Freitag Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy empfängt. Auch die Euro-Finanzminister beraten am Sonntag (19. Juni) erneut, nächste Woche soll der EU-Gipfel endgültig über ein zweites Hilfspaket entscheiden. „Jedes Mal, wenn wir zusammentreffen, kommen wir einer Lösung näher“, sagte der luxemburgische Ressortchef Luc Frieden. Er erwartet eine Einigung in den nächsten zwei Wochen.

Denn im Grundsatz sind sich die Euro-Länder bereits einig, dass von sofort an private Gläubiger einen Teil der Lasten schultern sollen - eine populäre Forderung, die den Steuerzahler entlastet. Nur wie weit dies geht, ist offen. Schäuble will Banken und Versicherungen „substanziell“ einbinden, sie sollen ihre alten griechischen Bonds gegen neue mit einer längeren Laufzeit von sieben Jahren umtauschen und das überschuldete Land so um 30 Milliarden Euro entlasten. Athen hätte dann mehr Zeit, sich zu sanieren.

Doch viele Euro-Länder, darunter Frankreich, wollen bei einer sanften Umschuldung nicht so weit gehen wie Deutschland. Auch die Europäischen Zentralbank (EZB) will keine Vorgaben akzeptieren und setzt auf eine völlig freiwillige Beteiligung der Investoren, betonte der designierte EZB-Chef Mario Draghi vor dem Europaparlament.

Die Währungshüter fürchten einen Kreditausfall mit Kettenreaktionen an den Finanzmärkten sowie Wertverluste in ihren Büchern, da die Notenbank auf griechischen Staatsanleihen in Milliardenhöhe sitzt. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann warnt: „Eine erzwungene Laufzeitverlängerung birgt in der konkreten Situation mehr Risiken als Chancen“. Die Gläubiger-Beteiligung dürfe keine negativen Auswirkungen auf andere Länder der Eurozone haben, warnen auch die Finanzchefs. „Wir müssen sehr vorsichtig vorgehen“, sagt Luc Frieden.

In Europa gehören zu den Hardlinern bei der Euro-Rettung neben Deutschland die Niederlande, Finnland sowie kleinere Ländern wie Slowakei und Slowenien. In den Niederlanden schüren die Rechtspopulisten um Geert Wilders eine Anti-Euro-Stimmung, in Finnland nimmt die Regierung nach der Wahl Rücksicht auf die EU-skeptischen „Wahren Finnen“. Die Slowakei als das ärmste Land in der Euro-Zone bringt das Argument: „Es kann nicht sein, dass wir als armes Land die reichen Griechen unterstützen.“

Doch letztlich müssen sich die Euro-Länder in den nächsten Tagen zusammenraufen, zu groß ist die Angst vor einem Domino-Effekt. Neue Unsicherheiten an den Märkten könnten Schuldensünder wie Portugal und Irland in den Strudel reißen. Griechische Staatsanleihen sind inzwischen tief in der Kategorie „Ramsch“ gelandet.

So dürfte trotz aller Konflikte letztlich schon bald ein Kompromiss auf dem Tisch liegen. Es müssten „noch einige technische Arbeiten erledigt“ werden, sagt Luxemburgs Finanzminister Frieden. Dass auch die deutsche Seite einer rein freiwilligen Lösung zustimmen könnte, deutete Finanz-Staatssekretär Steffen Kampeter (CDU) bereits an. Die Bundesregierung werde nichts tun, „was gegen den ausdrücklichen Rat der Europäischen Zentralbank ist“.

So dürfte letztlich alles auf einen Plan nach dem Vorbild der „Wiener Initiative“ hinauslaufen, bei der sich 2009 Großbanken im Rahmen eines Hilfsplans bereiterklärten, auslaufende Engagements in Ländern Mittel- und Osteuropas bei Fälligkeit zu erneuern. Die EU-Kommission arbeitet bereits daran - und EU-Währungskommissar Olli Rehn sagt: „Wir sind nicht so weit von einer Lösung entfernt, wie manche glauben.“