Analyse: Sicherheitskonferenz als Krisentreffen

München (dpa) - An aktuellem Gesprächsstoff fehlt es den gut 350 Spitzen-Politikern und Experten aus 60 Ländern bei der Münchner Sicherheitskonferenz nicht.

In New York ringt der UN-Sicherheitsrat um eine Resolution gegen die Gewalt in Syrien, in Ägypten liefern sich Demonstranten Straßenschlachten mit der Polizei und im Atomstreit mit dem Iran wird das Säbelrasseln lauter. Hinzu kommen der immer heftiger werdende Streit mit Russland über das Nato-Raketenschild in Europa und Irritationen innerhalb der Nato hinsichtlich der Strategie in Afghanistan.

Die dreitägige Konferenz, die am Freitag von Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU) eröffnet wurde, scheint zu einem echten Krisentreffen zu werden. Die Hauptrolle haben dabei die Gäste aus den USA und Russland. Die Regierungen beider Länder sind jeweils mit einem Doppel in München vertreten. US-Außenministerin Hillary Clinton und ihr Kabinettskollege für Verteidigung, Leon Panetta, werden in München auf den russischen Außenminister Sergej Lawrow und Vizeregierungschef Dmitri Rogosin treffen.

SYRIEN: Nach elf Monaten der Gewalt in Syrien, die fast 6000 Menschen das Leben gekostet hat, steht ein Einschreiten der UN in dem Konflikt kurz bevor. Zwei Anläufe für eine Sicherheitsrats-Resolution sind vor allem an Russland gescheitert. Pünktlich zu Beginn der Sicherheitskonferenz wurde in New York ein neuer Entwurf präsentiert. Den Durchbruch für eine Einigung könnte ein Gespräch zwischen Clinton und Lawrow in München bringen, das für Samstag erwartet wird.

RAKETENABWEHR: In dem Gespräch wird es voraussichtlich auch um den von der Nato geplanten Raketenabwehrschild in Europa gehen. Es soll vor allem vor Angriffen aus Ländern wie dem Iran schützen. Russland fühlt sich trotzdem bedroht: „Nach dem heutigen Stand soll das Raketenabwehrsystem ohne Frage das Atomwaffenpotenzial Russlands neutralisieren“, wetterte der russische Ministerpräsident und Präsidentschaftskandidat Wladimir Putin kurz vor der Sicherheitskonferenz. De Maizière zeigte sich in seiner Eröffnungsrede in München trotzdem zuversichtlich, dass Moskau bis zum Nato-Gipfel im Mai mit ins Boot geholt werden kann.

IRAN: Die Spekulationen über einen baldigen Militärschlag Israels gegen den Iran haben neue Nahrung erhalten. Laut „Washington Post“ geht US-Verteidigungsminister Panetta von einer „starken Wahrscheinlichkeit“ aus, dass Israel den Iran im April, Mai oder Juni angreift. Der geistliche Führer des Irans, Ajatollah Ali Chamenei, reagierte am Freitag mit Drohgebärden in Richtung USA und Israel. In München ist in diesem Jahr kein Redner aus dem Iran vertreten, am Rande der Konferenz dürfte der eskalierende Atomstreit trotzdem eine prominente Rolle spielen.

AFGHANISTAN: Für erhebliche Irritationen innerhalb der Nato sorgte Panetta vor der Konferenz mit Andeutungen zu einer möglichen Beschleunigung des Truppenabzugs aus Afghanistan. Die Nato will den Kampfeinsatz eigentlich erst Ende 2014 beenden, Panetta brachte 2013 als neuen Termin ins Gespräch. Auch Frankreich will früher raus aus Afghanistan. In München könnte Panetta für mehr Klarheit sorgen, was die US-Pläne angeht.

ÄGYPTEN: Vor einem Jahr war die Sicherheitskonferenz vom beginnenden Arabischen Frühling kalt erwischt worden, in diesem Jahr wird sie von gewaltsamen Protesten gegen die Militärregierung in Ägypten überrascht. Der Umbruch in der arabischen Welt steht erstmals offiziell auf der Tagesordnung der Konferenz. Eine Reihe prominenter Teilnehmer aus der Region hat sich angesagt, darunter die Regierungschefs aus Tunesien und Katar sowie der libysche Innenminister und der ägyptische Außenminister.