Analyse: Teurer Kraftakt im Kanzleramt

Berlin (dpa) - Zum Schluss ging alles doch viel schneller als gedacht. Seit Sonntagmittag hatte Kanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel mit den anderen Spitzen ihrer schwarz-gelben Koalition verhandelt - erst im Dreierkreis der Parteichefs, dann mit den Fraktionsbossen.

Lange drang kaum etwas aus dem Kanzleramt in Berlin. Um 19.30 Uhr traten Merkel, CSU-Chef Horst Seehofer und der FDP-Vorsitzende Philipp Rösler dann vor die Kameras. Was sie verkündeten, ist ein klassischer Kompromiss in der Not. Die Kanzlerin sprach von Beschlüssen mit Augenmaß, „die ein Stück weit mehr Gerechtigkeit walten lassen“.

Rösler kann mit einem kleinen Erfolg zum Sonderparteitag am kommenden Wochenende nach Frankfurt fahren: Die Runde verkündete eine Steuerentlastung in Höhe von 6 Milliarden Euro, verteilt auf die Jahre 2013 und 2014. „Man kann sehr zufrieden sein“, sagte der Parteichef, dessen Freidemokraten in Umfragen unter der Fünf-Prozent-Marke liegen. Ob das in einigen Wochen noch gilt, ist offen: Lehnen die Länder das Steuerpaket ab, steht Rösler mit ziemlich leeren Händen da.

Für den Steuerkompromiss muss der Bund allerdings tief in die Tasche greifen: Von den 6 Milliarden Euro muss er 4 Milliarden übernehmen, in der Hoffnung, dass nicht nur die Unions-Länder, sondern auch jene mit SPD- und Grünen-Führung mit ins Boot kommen. Doch SPD-Chef Sigmar Gabriel drohte schon mit einer Verfassungsklage in Karlsruhe, falls Schwarz-Gelb die neue Schuldenbremse mit ihren Steuergeschenken aushebeln wolle.

Auch der bayerische Ministerpräsident Seehofer, der vor zwei Wochen noch eine Steuer-Einigung torpediert hatte, weil er über das Vorpreschen von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) und Rösler aufgebracht war, zeigte sich nun zufrieden. Mit dem Kompromiss sei die „Bundesratsverträglichkeit“ der Steuerentlastung mitsamt der angepeilten Entlastung bei der kalten Progression - Lohnerhöhungen werden dabei zum Teil durch steigende Steuern wieder aufgefressen - deutlich gestiegen. Noch kurz zuvor hatte der Bayer hier keine Kompromissbereitschaft angedeutet.

Seehofer war besonders wichtig, endlich das schon im Koalitionsvertrag verankerte, fachlich umstrittene Betreuungsgeld umzusetzen - das soll nun in zwei Schritten passieren. Beim Fachkräftezuzug wird die Verdienstgrenze von bisher 66 000 Euro deutlich auf 48 000 Euro abgesenkt. Die Koalition will aber sicherstellen, dass diese Zuwanderer nicht ins soziale Netz fallen, hob Seehofer hervor. Unbefristet bleiben dürfen Zuwanderer nur, wenn sie innerhalb der ersten drei Jahre keine Sozial-Gelder in Anspruch nehmen.

Beim Thema Pflege muss Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) auf den Einstieg in eine umfassendere Lösung noch warten. Immerhin will Schwarz-Gelb die Demenzkranken und deren Angehörige mit gut einer Milliarde Euro zusätzlich unterstützen. Im Gegenzug muss dafür der Beitragssatz um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden. Die bittere Pille für die FDP dabei: Sie scheiterte mit ihrer Forderung nach einer verpflichtenden Zusatzvorsorge. Dies soll nach dem Vorbild der Riester-Rente nun auf freiwilliger Basis möglich sein.

Die Pkw-Maut - ein Lieblingswunsch Seehofers - liegt weiterhin auf Eis. Im Februar soll sich eine Verkehrsministerkonferenz mit der Finanzierung der Verkehrsinfrastruktur befassen. In der Union war aber schon längst signalisiert worden: In dieser Legislaturperiode werde es mit ihr überhaupt keine Maut geben.