Analyse: Unruhen gefährden Altertümer

Chemnitz (dpa) - Die Unruhen in Ägypten haben Kunsträuber auf den Plan gerufen. „Das Museum in der alten Pharaonenstadt Memphis wurde geplündert“, sagte der Chemnitzer Museologe Thomas Schuler. Noch sei nicht bekannt, welche Verluste es dort gab.

In der vergangenen Woche sei versucht worden, im Nationalmuseum in Kairo Altertümer zu stehlen. Demonstranten auf der Straße hätten den Einbruch bemerkt und daraufhin das Haus mit einer Menschenkette geschützt. Die Einbrecher beschädigten unter anderem Grabbeigaben für den Pharao Tutanchamun. Schuler ist seit sechs Jahren Chef einer Eingreiftruppe des Internationalen Museumsverbandes ICOM.

„Wir wissen relativ genau, was passiert ist“, sagte Schuler. Dreizehn Glasvitrinen im Nationalmuseum wurden eingeschlagen und etwa 70 Ausstellungsstücke beschädigt. „Die Einbrecher haben vor allem Gold gesucht.“

Ein kleines Holzboot aus dem Totenkult trug Schäden davon, andere Dinge wurden einfach auf den Boden geworfen. Auch an zwei Mumien hinterließen die Einbrecher ihre Spuren. Die eventuell wertvollsten beschädigten Stücke waren drei kleine, vergoldete Figuren aus dem Grab des Pharaos Tutanchamun, darunter der „Pharao auf dem Panther“. Diese Stücke seien zerbrochen worden, könnten aber schnell wieder restauriert werden, sagte Schuler.

An dem missglückten Einbruch im Ägyptischen Nationalmuseum hatte sich laut Schuler auch das Wachpersonal beteiligt. Wegen der Menschenkette mussten die Diebe ihre Beute zurücklassen. „Dieser spontanen Aktion der Menschen ist es zu verdanken, dass kein größerer Schaden entstand“, sagte Schuler.

Für den 66-Jährigen ist Ägypten ein „schwieriger Fall“. „Wir hatten noch nie einen solchen Zusammenbruch von staatlicher Autorität - dass sich die Polizei so einfach zurückzieht.“ Jetzt hofft er, dass zumindest für die Museen das Schlimmste überstanden ist. „Wir haben die Armee auf die Gefahr aufmerksam gemacht. Jetzt werden alle 24 großen Museen des Landes von Soldaten bewacht.“

Sorgen bereiten Schuler hingegen die Ausgrabungsstätten im Niltal. Zwar gebe es auch dort mittlerweile Bürgerwehren, denen es in einigen Fällen auch gelungen sei, bewaffnete Räuber zurückzuschlagen. Diese relativ großen Gebiete seien aber nur schwer zu schützen. So hätten Räuber die Depots und Lagerhäuser teilweise ausgeräumt. „Die Fundstücke waren vermutlich noch gar nicht dokumentiert.“ Tempel und Gräber wurden aufgebrochen. „Das kann sich jederzeit wiederholen. Ich bin da in großer Sorge“, sagte Schuler.

Die jetzt zehnköpfige Eingreiftruppe des Internationalen Museumsbundes ICOM war 2005 nach der Tsunami-Katastrophe in Thailand gegründet worden. Schuler, ehemals Direktor des Chemnitzer Schloßbergmuseums und frisch gebackener Vorruheständler, hatte deren Gründung vorgeschlagen, um die Hilfe für das fernöstliche Land besser zu koordinieren. Seither ist er Chef des Teams mit Leuten auf allen Kontinenten - ehrenamtlich. Von Kontaktleuten in den Krisen- und Katastrophenherden der Welt beschafft er sich Informationen und organisiert Hilfe. Etwa 20 Mal sei er in den vergangenen sechs Jahren in Aktion gewesen. „Ich bin mittlerweile schon ganz schön erfahren“, sagte er.