Analyse: Verwirrung bei Griechen komplett
Athen (dpa) - Griechenlands Ministerpräsident Papandreou will das Volk um Zustimmung bitten - aber welche Frage genau sollen die Griechen eigentlich beantworten? Soll sich der „kleine Mann“ wirklich eine Meinung zu allen Details der 300 Seiten starken Abmachungen zum internationalen Hilfsprogramm bilden?
Athen (dpa) - Griechenlands Ministerpräsident Papandreou will das Volk um Zustimmung bitten - aber welche Frage genau sollen die Griechen eigentlich beantworten? Soll sich der „kleine Mann“ wirklich eine Meinung zu allen Details der 300 Seiten starken Abmachungen zum internationalen Hilfsprogramm bilden?
Die Verwirrung ist groß, denn die meisten Menschen wissen nicht, worüber und wie sie abstimmen sollen, wenn es tatsächlich im Dezember oder Januar zum Referendum kommt. „Wie soll sich denn der kleine Mann entscheiden“, fragten sich alle am Mittwoch. „Griechenland trudelt“, meinte das regierungsnahe Blatt „Ta Nea“ am Mittwoch. Der Buchhalter Nikos Wroussis fühlt sich an den Titel des Films des griechischen Regisseurs Theodoros Angelopoulos erinnert: „Landschaft im Nebel“.
Am Abend brachte ein Regierungssprecher ein wenig Licht ins Dunkel, während Papandreou bei einem Krisentreffen mit den Spitzen der EU in Cannes weilte. Das Referendum werde das beim EU-Gipfel ausgehandelte Abkommen über den Schuldenschnitt betreffen, nicht den Verbleib des Landes im Euroland. Zuvor war spekuliert worden, dass es bei der Befragung auch um die Mitgliedschaft Griechenlands in der Eurozone gehen könnte - nach dem Motto: Euro oder Drachme? Weitergehende Informationen aber, worüber genau das Volk abstimmen soll, gibt es aber nach wie vor nicht.
Der Chef der oppositionellen bürgerlichen Partei Nea Dimokratia (ND), Antonis Samaras, entwarf ein mögliches Katastrophenszenario, das nach der Ankündigung von Papandreous Referendumsplänen weltweit die Finanzmärkte erschütterte: Es könnte sein, dass aufgebrachte und zornige Bürger wegen des endlosen Sparens am Ende „Nein“ sagen - „das Land und Europa in eine Krise stürzen. Und dies obwohl sie (die Bürger) eigentlich proeuropäisch sind.“ Samaras verlangt deshalb, dass das Parlament sofort neu gewählt wird.
Auch die Medien können den Griechen keine Orientierung geben. Welche Frage soll denn gestellt werden? Ja oder Nein für das Sparprogramm? Oder: Für oder gegen die Finanzhilfe?
Papandreou steckt nach Ansicht vieler Beobachter in der schwierigsten Situation, die ein Politiker in Griechenland in den letzten Jahrzehnten erlebt hat. Die Geldgeber diktieren harte Sparmaßnahmen. Diese treffen hauptsächlich die niedrigen und mittleren Einkommensklassen. Grund: Die Regierung und der Staatsapparat kann nicht die Steuerhinterziehung bekämpfen. Immer mehr direkte und indirekte Steuern werden verhängt.
Das Ergebnis ist eine aufgebrachte Mittelklasse und mittlerweile auch hungernde Rentner, die ohne Hilfe von der Kirche und Hilfsorganisationen oder Nachbarn nicht über die Runden kommen. Zudem explodiert immer wieder Gewalt, die das Land eines Tages ins Chaos stürzen könnte. Dahinter stehen links- und rechtsextremistische Organisationen und andere Akteure, die das Chaos als Ziel haben. Auch die Kommunisten rufen zum Ungehorsam auf.
In dieser Lage habe Papandreou keine Wahl gehabt, heißt es in Kreisen, die dem Regierungschef nahestehen. Es könne nicht sein, dass man gleichzeitig im Euroland bleiben will, aber seine Steuern nicht zahlt, auf den Straßen gegen die Sparmaßnahmen demonstriert und nicht bereit ist, den Gürtel - koste es was es wolle - enger zu schnallen. Deswegen will Papandreou nun die Griechen direkt fragen: „Was wollt ihr?“
Ein enger Mitarbeiter des griechischen Ministerpräsidenten sagte der Nachrichtenagentur dpa, der Weg sei unwegsam und „vermint“. Papandreou muss zunächst am Freitag eine Vertrauensabstimmung überstehen. Er hat nur eine hauchdünne Mehrheit von 152 Abgeordneten. Übersteht er sie, muss dann die genaue Frage des Referendums gefunden werden, die dem Volk gestellt werden soll. Zudem ist es unklar, ob Papandreou seine eigene Fraktion dazu überreden kann, dem Referendum zuzustimmen. Viele seiner Abgeordneten haben inzwischen Angst, sich ihren Wählern vor Ort im Wahlbezirk zu stellen. Aufgebrachte Bürger attackieren zunehmend Abgeordnete vor allem der Regierungspartei aus Frust gegen die Finanzmisere.
Die größte Gefahr bestehe aber nach Ansicht von Finanzexperten darin, dass die Geldgeber die Geduld mit Griechenland verlieren. „Dann können wir hier den Laden gleich dicht machen“, hieß es. Aus diesem Grund plante die Regierung nach den Worten des Regierungssprechers Ilias Mosialos „so schnell wie möglich“ das Referendum durchzuführen. Man brauche lediglich nur über das Prinzip des Hilfsprogramms und nicht seine Details abstimmen. Dies solle sogar vor dem Jahresende sein, hieß es.