Analyse: Wahlkampfthema „Wohnungsnot“
Berlin (dpa) - Eine Mietpreisbremse verspricht die SPD, bezahlbares und „grünes Wohnen“ ihr Wunschpartner. Selbst die CDU erkennt: Es wurde zu wenig gebaut. Die Mieter sind Wahlkampfthema - eines, das viele betrifft: Denn gut jeder zweite Haushalt zahlt Miete.
Allein in Berlin macht sich die Hälfte der Bürger große Sorgen wegen der steigenden Mieten, ergab eine Umfrage. „Deutschland hat eine neue Wohnungsnot“, meint der Mieterbund, Vermieter gestehen „vereinzelte Probleme“ ein. Die Situation und ihre Ursachen sind vielfältig.
Wo steigen die Mieten?
In Großstädten, Ballungszentren und Uni-Standorten, wie Mieter- und Vermietervertreter bestätigen. „Wir haben eine explodierende Situation bei Neuverträgen“, sagt Mieterbund-Präsident Franz-Georg Rips. Das reiche von Metropolen wie München und Berlin bis zu Städten wie Konstanz. 20 bis 40 Prozent legen die Eigentümer dort drauf, wenn der Mieter wechselt, ermittelte das Hamburger Institut F+B. Diese Werte gehen später im Mietspiegel auf und werden so zum Maßstab. „Die Wiedervermietungsmieten von heute sind die Vergleichsmieten von morgen“, sagt Rips. Auf dem Land und in vielen Städten steigen die Mieten dagegen nur moderat, mancherorts sinken sie sogar.
Was sind die Gründe für den Anstieg?
Die Nachfrage wächst stärker als das Angebot. Die Beratungsfirma Empirica hat ermittelt, dass in München Ende 2011 gerade noch 0,6 Prozent der vermietbaren Wohnungen frei waren, in Hamburg 0,7 Prozent - ganz anders ist es in Städten wie Salzgitter und Chemnitz, wo jede zehnte Wohnung leer stand. In Berlin warnten Vermieter jetzt, es seien so wenige Wohnungen frei wie seit fast 20 Jahren nicht mehr.
Wer sorgt für die hohe Nachfrage?
Es gibt so viele Einpersonenhaushalte wie nie, jeder fünfte lebt allein, hat das Statistische Bundesamt errechnet. Zugleich zieht es viele in die Städte, vor allem Besserverdiener. Das macht Wohnungen knapp und teuer. Außerdem fehlen Tausende Wohnungen mit Fahrstuhl und anderen Erleichterungen für Ältere. „In den letzten Jahren hat es einen Mietwohnungsneubau eigentlich nicht gegeben“, meint Rips. „Wenn gebaut wurde, dann nach dem Motto: reich für reich.“
Wie haben sich andere Preise entwickelt?
775 Euro gab ein Haushalt 2011 für Wohnen und Energie aus, 2005 waren es 697 Euro. Der Anteil an den Gesamtausgaben blieb aber relativ konstant bei einem Drittel - will sagen: Das Leben insgesamt wurde teurer. Doch das ist der bundesweite Durchschnitt. In den Städten ist Wohnen deutlich teurer geworden, die Zahl der Haushalte steigt, die 40 oder 50 Prozent ihrer Ausgaben für Miete und Nebenkosten aufwenden. Dabei haben Metropolen wie Berlin und Hamburg noch nicht das Mietniveau von vor 20 Jahren erreicht, wie Makler hervorheben. Sie lassen aber die Energiekosten außen vor, die als „zweite Miete“ zu Buche schlagen und früher viel niedriger waren.
Was fordern die Mieter?
Es müssen doppelt so viele Wohnungen gebaut werden wie zuletzt, verlangt der Mieterbund, 140 000 neue Wohnungen pro Jahr. Sonst fehlten in zwölf Jahren eine Million Wohnungen. Knapp ein Drittel muss in den zehn größten Städten gebaut werden, empfiehlt das Hannoveraner Pestel-Institut. Die Mietervertreter stützen sich auf dessen Studien und fordern Steuererleichterungen für Bauherren, mehr Wohngeld und Sanierungszuschüsse - insgesamt zehn Milliarden Euro im Jahr. Den Mietanstieg wollen sie mit neuen und strengeren Kappungsgrenzen bremsen.
Was sagen die Eigentümer?
Gegen Zuschüsse und Steuererleichterungen haben sie nichts, wie Christian Lieberknecht, Geschäftsführer des Bundesverbands deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen deutlich macht - wohl aber gegen Änderungen bei den Kappungsgrenzen: „Wir sind guten Willens, mehr zu bauen, aber wir dürfen auch nicht behindert werden.“ Der Verband, der für 30 Prozent der Mietwohnungen steht, verlangt, dass die Kommunen Baugrundstücke günstiger abgeben. Lieberknecht meint aber auch, dass nicht jeder in der Innenstadt wohnen müsse. „Ist es einem Studenten unzumutbar, durchaus auch mal einen Kilometer weiter weg vom Campus zu wohnen?“