Analyse: Wie kann man den Krisenfonds besser einsetzen?
Brüssel (dpa) - Seit Wochen ringen die Euro-Länder um ein umfassendes Paket zur Lösung der Schuldenkrise - bisher ohne Erfolg. Im Mittelpunkt des Streits steht die Frage, mit welchen Methoden man die Gelder des gerade erst gestärkten Krisenfonds EFSF noch wirksamer einsetzen kann.
Verschiedene Modelle liegen auf dem Tisch. Bei ihrem Folgegipfel am Mittwoch entscheiden die Staats- und Regierungschefs voraussichtlich über das Gesamtpaket, das in groben Zügen nach diesem Wochenende vorliegen dürfte. Darum dreht sich bisher der Konflikt:
Der Rettungsschirm wurde doch gerade erst erweitert?
Ja, der EFSF-Fonds kann nun bis zu 440 Milliarden Euro Notkredite an Krisenländer vergeben. Damit er die Summe wirklich ausgeben kann, sichern die Euro-Länder den Fonds mit gigantischen Garantien von 780 Milliarden Euro ab. Davon schultert Deutschland 211 Milliarden. Die hohen Garantien sind nötig, damit sich der Fonds zu günstigen Konditionen das Geld für seine Hilfsaktionen am Kapitalmarkt borgen kann. Dafür benötigen die EFSF-Retter die beste Note für ihre Kreditwürdigkeit von „AAA“.
Reicht das Geld denn immer noch nicht?
Wohl kaum. Zehn Prozent der 440 Milliarden Euro sind ohnehin schon vergeben an Irland und Portugal. Weitere Gelder sind für das zweite Griechenland-Paket verplant, das bisher - inklusive dem Beitrag des Internationalen Währungsfonds IWF - 109 Milliarden Euro umfasst. Die Finanzspritze an Athen muss nach dem jüngsten Bericht der internationalen Inspekteure aber wohl höher ausfallen. Da könnten die verbleibenden EFSF-Gelder nicht reichen. Zumal die Schuldenkrise immer größere Kreise zieht und die Ansteckungsgefahr wächst. Inzwischen wackelt sogar Frankreichs Top-Kreditwürdigkeit und eine neue Bankenkrise droht. Mit dem EFSF soll daher ein „Schutzwall“ gezogen und noch mehr Geld mobilisiert werden - die Rede ist von einer Billion Euro.
Welche Optionen liegen auf dem Tisch?
Die 17 Euro-Länder sind sich grundsätzlich einig, weder die Garantien noch das Kreditvolumen des Rettungsfonds aufzustocken. Das Zauberwort lautet „Hebelwirkung“. Deutschland favorisiert eine Art Teilkasko-Versicherung. Danach könnte der EFSF - statt Kredite zu vergeben - als Versicherer einspringen. Er würde privaten Geldgebern beim Kauf von Staatsanleihen wackelnder Euro-Länder einen Teil des Ausfallrisikos abnehmen. Der Fonds könnte also bei neuen Staatsanleihen die ersten 20 Prozent möglicher späterer Verluste übernehmen. Auf diese Art will man Investoren anlocken, mehr Geld in Schuldtitel von Euro-Ländern zu stecken. Dies wäre aber kein klassischer „Hebel“ wie bei den risikoreichen Finanzkonstrukten, die die globale Krise ausgelöst haben.
Und was will Frankreich?
Paris will die Notenbank stärker als Feuerwehr einspannen. Die französische Regierung hält daher eine Banklizenz für den EFSF-Fonds nach wie vor für die effektivste Methode - auch wenn sie angeblich nicht mehr auf dem Tisch liegt. Der Fonds könnte sich dabei praktisch unbegrenzt Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB) holen. So würde die Notenbank indirekt zum Finanzierer von Staaten - aus Sicht Berlins und der Bundesbank ein klarer Verstoß gegen die EU-Verträge. Zudem setze dies zu wenig Anreize für eine Haushaltskonsolidierung, lautet die Kritik. Das Anwerfen der Notenpresse könnte auch einen Inflationsschub auslösen. Paris wollte zudem bei Bankenrettungen den EFSF direkt anzapfen.
Welche Alternativen gibt es noch?
Als weitere Möglichkeit wird eine stärkere Einbindung des Internationalen Währungsfonds diskutiert. Bislang beteiligt sich der IWF zu einem Drittel an den Nothilfen für Griechenland, Irland und Portugal. Künftig könnten vorsorgliche Kreditlinien und Sonderkonten der Welt-Finanzfeuerwehr genutzt werden. Die Bundesregierung sieht eine Teilabsicherung und die Einbeziehung des IWF als erfolgversprechendste Varianten an. Allerdings können die Europäer die IWF-Variante nicht alleine beschließen. Die Versicherungslösung ließe sich dagegen in die Leitlinien des EFSF einfügen.
Was schlägt die Bundesbank vor?
Nach Ansicht der Deutschen Bundesbank könnte der EFSF auf seine Top-Note „AAA“ bei der Kreditwürdigkeit verzichten. Die etwas niedrigere Bonitätseinstufung würde es für den Krisenfonds zwar teurer machen, sich Geld am Kapitalmarkt zu besorgen. Diese Kosten wären aber von den Hilfe empfangenden Euro-Ländern zu tragen. Der EFSF lehnt dies jedoch strikt ab. Die Bundesbank warnt besonders eindrücklich vor einer Hebelkonstruktion, weil diese das Risiko für den Steuerzahler erhöhen würde. Der Zusammenhang von Hebel und Risiko sei eine der wichtigsten Lehren aus der Finanzkrise.