Analyse: Wowereit bleibt Berliner Frontmann auf Zeit
Berlin (dpa) - Klaus Wowereit nimmt das Ergebnis mit gefalteten Händen entgegen. Sein Gesicht bleibt reglos, als am Samstag das Berliner Abgeordnetenhaus über seine Zukunft als Regierender Bürgermeister abgestimmt hat.
Das Misstrauensvotum gegen den SPD-Regierungschef wegen der beispiellosen Pannenserie am Flughafen ist so klar gescheitert wie von seiner rot-schwarzen Regierungskoalition vorausgesagt. Erleichterung oder Freude sind bei Wowereit nicht zu erkennen.
Aber nach den ersten Gratulationen eilt der 59-Jährige ins Parlamentsfoyer, um seine Botschaften zu verkünden. „Ich hatte keinen Zweifel, dass die Mehrheit des Abgeordnetenhauses mir das Vertrauen ausspricht“ und „Der Flughafen muss jetzt schnell zu Ende gebaut werden“.
Wowereit ist nach außen wieder oben auf. Schon bei der Debatte über den Misstrauensantrag zwei Tage zuvor demonstrierte der heftig kritisierte Regierungs- und Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft Kampfgeist und Selbstbewusstsein. Nach der abgeschmetterten Abwahl weist Wowereit erneut Spekulationen zurück, er könnte früher abtreten. „Ich bin für die volle Legislatur gewählt und werde das Amt auch ausüben“, sagt er - unbeirrt von bohrenden Nachfragen - in Kameras und Mikrofone.
Doch der SPD-Politiker ist deutlich angeschlagen. Noch vor der Bundestagswahl 2009 als möglicher Kanzlerkandidat gehandelt, ist davon seit längerem keine Rede mehr. Auch in der Hauptstadt-SPD ist Wowereits bis zum Flughafen-Chaos unangefochtene Autorität beschädigt. Sein dramatischer Popularitätsabsturz bei den Berlinern und sein letztlich hilfloses Krisenmanagement beim Flughafen-Desaster haben sein Gewinner- und Macherimage ruiniert.
Die Regierungsfraktionen von SPD und CDU haben zwar so geschlossen zu Wowereit gestanden wie angekündigt. Doch das hat auch strategische Gründe: Die SPD hat keinen Nachfolger. Wowereit hat keinen „Kronprinzen“ zugelassen, der ihm hätte gefährlich werden können. „Alles Lachnummern außer Klaus“ titelte die Tageszeitung „taz“ kürzlich.
Die beiden am häufigsten genannten Anwärter brauchen noch viel Zeit. SPD-Fraktionschef Raed Saleh, seit einem Jahr im Amt, besitzt weder Wowereits Charisma noch seine Wortgewalt. Der neue SPD-Landeschef Jan Stöß, seit Juni im Amt, ist noch zu unbekannt und hat kein Mandat, also zu wenig öffentliche Bühne.
Und die CDU traut sich den offenen Putsch nicht zu. Zwar würden einige ältere Christdemokraten Wowereit sicherlich gern heimzahlen, dass er 2001 seinen CDU-Vorgänger Eberhard Diepgen durch ein erfolgreiches Misstrauensvotum stürzte.
Doch die CDU muss das Regieren nach zehn Jahren in der Opposition erst wieder lernen. Zwei für die CDU angetretene Senatoren mussten schon ihren Hut nehmen. Und CDU-Chef Frank Henkel zeigte sich als Innensenator bei der Aufklärung des NSU-Skandals um die Nichtweitergabe von Informationen Berliner Sicherheitsbehörden wenig souverän. Zudem fehlt der CDU ein Koalitionspartner. Die Grünen können sich für die Konservativen nach wie vor nicht erwärmen.
So bleibt Wowereit Frontmann auf Zeit. Die mit ihrem Abwahlantrag gescheiterte Opposition - Grüne wie Piraten - denkt nun über ein Volksbegehren zur Erzwingung einer Neuwahl nach.