Analyse: Zypern zahlt hohen Preis für Rettung
Brüssel (dpa) - Bei der Rettung Zyperns vor der Staatspleite geht es an Eingemachte. Die zweitgrößte Bank wird geschlossen, die größte schrammt an der Insolvenz vorbei. Und einige EU-Verantwortliche sind zermürbt: Sie haben einen riesigen Fehler gemacht.
Abgekämpft und müde präsentierten die EU-Verantwortlichen die Ergebnisse mehr als zwölfstündiger Krisenberatungen zu Zypern. Das kleine Land im östlichen Mittelmeer wird zwar vor dem Staatsbankrott bewahrt, doch der Preis dafür ist hoch.
Die Laiki-Bank als zweitgrößtes Geldhaus der Insel macht sofort dicht und wird zerschlagen, nur Anleger mit unter 100 000 Euro kommen mit heiler Haut davon. Der insolvenzbedrohte Branchenprimus Bank of Cyprus kann zwar weiterarbeiten, doch Großanlegern drohen Einbußen von bis zu 50 Prozent.
„Wir gehen die Probleme da an, wo sie aufgetaucht sind: Bei den großen Banken“, resümierte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem am frühen Montagmorgen. „Die Laiki-Bank kann nicht gerettet werden“, lautet sein Urteil. Die beiden Geldhäuser beherrschen etwa 80 Prozent der zyprischen Branche. Gerade bei der Bank of Cyprus wurden in der Vergangenheit immer wieder Schwarzgeldguthaben russischer Oligarchen vermutet.
Mit den hohen Einbußen dürfte das Vertrauen ausländischer Anleger in die Insel-Banken zunächst zerstört sein, lautet die Vermutung in Brüssel. Die Auswirkungen auf Menschen und Wirtschaft der Insel sind kaum abzusehen. „Es wird harte Zeiten geben“, orakelt EU-Währungskommissar Olli Rehn.
Der sichtlich nervöse Den Haager Kassenhüter Dijsselbloem bügelte mit der Vereinbarung des Hilfspakets von zehn Milliarden Euro einen schweren Patzer von Mitte März aus. Damals beschloss die von ihm geführte Eurogruppe eine gestaffelte Zwangsabgabe auf zyprische Bankguthaben - das hätte auch Kleinanleger getroffen. Dieser Schritt löste in ganz Europa Sorge und Empörung von Sparern aus.
Es entstand - berechtigt oder nicht - der Eindruck, als seien Sparkonten in der EU nicht mehr sicher. Dieser Angst treten die EU-Verantwortlichen mit nun besonders tiefen Sorgenfalten auf der Stirn entgegen: Zyprische Guthaben unter 100 000 Euro werden nicht angegriffen. „Wir müssen diese Debatte beenden“, fordert Dijsselbloem mit einer energischen Handbewegung.
Das Herumlavieren der Eurogruppe bei der äußerst komplizierten Zypern-Rettung wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der politischen Führung des gemeinsamen Währungsgebiets. Die Euroländer haben zwar einen riesigen Rettungsschirm mit einem Stammkapital von 700 Milliarden Euro aus dem Boden gestampft, doch insbesondere beim Krisenmanagement hapert es gewaltig. So könne nicht in der EU gehandelt werden, kritisiert EU-Parlamentschef Martin Schulz: „Den Verhandlungen fehlte Transparenz, demokratische Rechenschaft und sie wurden schlecht kommuniziert.“
In diesem Durcheinander müssen dann gelegentlich die EU-Spitzen eingreifen, um Kompromisse voranzubringen. Die beiden Präsidenten Herman Van Rompuy (Ministerrat) und José Manuel Barroso (EU-Kommission) scharten schon am Sonntagmittag Zentralbankchef Mario Draghi oder IWF-Chefin Christine Lagarde um sich, um die Eckpunkte vorzugeben. Zyperns Präsident Nikos Anastasiades brauchte in einem langen Nervenkrieg viel Zeit, um den Deal zu akzeptieren - und dabei fiel dem Vernehmen nach auch das Wort „Rücktritt“. Die Euro-Finanzminister durften am Ende die Einigung der Spitzenrunde billigen - ein Modell für kommende Euro-Rettungsaktionen?