Analyse: Misstrauen zwischen Euro-Rettern wächst
Berlin (dpa) - Die Finanzmärkte jubeln, doch im Berliner Regierungsviertel hält sich am Morgen danach die Euphorie über den Rettungsplan für Zypern in Grenzen.
Ein übernächtigter Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) vermeidet es - nur wenige Stunden nach der dramatischen Sitzung in Brüssel - in Richtung zyprischer Regierung nachzutreten und nur den Hauch eines Triumphes zu vermitteln. Auch die Kanzlerin spricht beim Besuch eines Mehrgenerationenhauses in Bayern von einer gerechten Lastenteilung. Wohlwissend, dass das Euro-Gebäude nur knapp vor dem Einsturz bewahrt wurde.
Eigentlich könnten Merkel und Schäuble zufrieden sein, wurden doch wesentliche Forderungen der Bundesregierung und der Opposition in dem Last-Minute-Kompromiss erfüllt. Die Verursacher der Schieflage Zyperns, reiche Anleger und Bankeigentümer, müssen bluten - und zwar mehr als nach dem gescheiterten ersten Rettungsversuch.
Doch ein hochrangiger Regierungsvertreter in Berlin bringt die vielschichtige Lage auf den Punkt: „Das ist wie eine Operation am offenen Herzen.“ Im Klartext: Der Patient Zypern ist längst noch nicht über den Berg, die Risiken bleiben hoch, ein Bankrott des Euro-Landes ist nur vorerst abgewendet. Das sind auch für die Regierenden in Berlin im Wahljahr keine blendenden Aussichten.
Für Deutschland und die schwarz-gelben Krisenmanager könnte es künftig schwieriger werden, sich bei den Euro-Partnern durchzusetzen. Die von Zypern geforderten Gegenleistungen für Milliarden-Hilfen sind zwar berechtigt. Unstrittig ist auch, dass die frisch ins Amt gewählte Regierung in Nikosia mit ihrem riskanten Spiel die Turbulenzen in der Euro-Zone angefacht und die Kosten in die Höhe getrieben hat. Die Gräben in Europa dürften insgesamt aber tiefer geworden sein.
Die kritischen Stimmen über die Rolle der Deutschen in der Euro-Krise werden nach dem ersten dilettantischen Rettungsversuch und der jüngsten Brüsseler Nachtsitzung kaum verstummen. Schon vor einer Woche war von „brachialem Hegemoniestreben Berlins“ oder mangelndem Respekt gegenüber kleineren Euro-Ländern die Rede.
Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn etwa verbat sich Kritik am „Geschäftsmodell Zyperns“. Man müsse aufpassen, vor allem in Berlin, dass keine verletzenden Töne kämen. Verschiedene Länder hätten ganz legal - Zypern ebenso wie sein Land - etwas aufgebaut. Und das sollte man nicht herabwürdigen, so Asselborn.
Das für Nikosia angestrebte Hilfsprogramm kann funktionieren. Die Auswirkungen auf die vom aufgeblähten Bankensektor dominierte Wirtschaft des Landes aber sind nicht vorhersehbar. Das weiß man auch in Brüssel und Berlin. Schon an diesem Dienstag könnte der nächste Härtetest für die kleine geteilte Mittelmeerinsel anstehen. Niemand kann vorhersehen, was passiert, wenn die seit mehr als einer
Woche geschlossenen Geldhäuser wieder öffnen. Die Sorge vor einem Ansturm auf die Filialen ist groß. Zum Glück war Montag Feiertag.
Nach den im zweiten Anlauf ausgehandelten Eckpunkten werden die kleinen Sparer in Zypern verschont, vermögende Gläubiger und ausländische Anleger sowie Eigentümer der großen Geldhäuser dagegen werden zur Kasse gebeten. Betroffen sind Geldeinlagen von mehr als 100 000 Euro sowie Aktien und Anleihen; Gläubiger und Kunden der beiden größten Geldhäuser werden Geld verlieren. Neben der Sanierung des Banksektors sollen Privatisierungen, Steuererhöhungen und der Kampf gegen Geldwäsche Teil des Hilfsprogramms sein.
Das gibt es bisher nur in Eckpunkten, die Einzelheiten und ein umfangreiches „Memorandum of Understanding (MoU)“ stehen noch aus. Jetzt beginnen die Detail-Verhandlungen der Geldgeber-Troika aus EU-Kommission, Internationalem Währungsfonds (IWF) und Europäischer Zentralbank (EZB) mit Zypern. Ein Ergebnis wird bis Mitte April erwartet, in der dritten Aprilwoche könnte dann entschieden werden. Davor muss auch der Bundestag grünes Licht geben.
Auf eine Sondersitzung vor Ostern verzichteten Koalition und Opposition. Das könnte auch als ein Indiz für eine breite Mehrheit im deutschen Parlament gelten. Bis zur Abstimmung werden SPD und Grüne zwar eine Finanztransaktionssteuer auch für Zypern sowie schärfere Regeln gegen Steuerdumping fordern, Merkel und Schäuble für die Querelen und die Verunsicherung der deutschen Sparer mitverantwortlich machen - am Ende aber doch zustimmen.