Analyse: Zypern-Zwangsabgabe empört Russland

Moskau (dpa) - Der drohende Verlust russischer Spareinlagen in Milliardenhöhe auf Zypern trieb den Kreml zur Weißglut. Als ginge es um ihr eigenes Vermögen, geißelten Präsident Putin und sein Regierungschef Medwedew die EU-Pläne der Europäischen Union für eine Zwangsabgabe auf Spareinlagen im Inselstaat.

Besonders hart trifft Moskau nach Ansicht von Experten, dass Hoffnungen auf eine wirtschaftliche Annäherung mit dem Westen nun einen herben Schlag erhalten.

Russland fühle sich von der EU übergangen, machte Finanzminister Anton Siluanow deutlich. Für Moskau kommt das einem Vertrauensbruch gleich. Schließlich hält Russland unbeirrt an der europäischen Gemeinschaftswährung fest. 40 Prozent seiner Reserven legt das größte Land der Erde in Euro an. Putin sprach dem Euro wiederholt sein Vertrauen aus. „Jetzt aber regeln die Europäer ihre Probleme faktisch auf Kosten russischer Aktiva“, schreibt die Moskauer Tageszeitung „Nesawissimaja Gaseta“.

Für Zypern ist Moskau jetzt allerdings eine wichtige Karte im Kampf gegen die drohende Staatspleite. Noch vor dem „Nein“ des zyprischen Parlaments zu Euro-Rettungspaket und Zwangsabgabe flog Finanzminister Michalis Sarris nach Moskau ab. Sarris will dort sondieren, ob Zypern seine Finanzkrise mit Hilfe auch Russlands überwinden könnte.

Der Streit mit der EU ist kein gutes Vorzeichen für das geplante Treffen der EU-Kommission mit Medwedew Ende dieser Woche in der russischen Hauptstadt. Geradezu beleidigt, dass die EU Russland nicht um Unterstützung bei der Krisenlösung bittet, stellt Moskau seine Hilfe für Zypern infrage. Dazu gehört die Verlängerung eines Kredits über 2,5 Milliarden Euro zu günstigen Zinsen. Angesichts der neuen Lage müsse Russland seine Schritte überdenken, warnt EU-Botschafter Wladimir Tschischow.

Außer den Inselbewohnern selbst träfe die geplante Zwangsabgabe vor allem russische Firmen und Oligarchen, die auf Zypern dank niedriger Unternehmenssteuern ihr Vermögen horten. Je nach Schätzung stammen bis zu 35 Milliarden Euro auf zyprischen Konten aus Russland - und fließen von dort oft geradewegs wieder in die Heimat. Laut der Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ stammen 40 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen im Riesenreich aus Zypern. Hinzu kommen Anlagen russischer Banken auf der Insel in Milliardenhöhe.

„Piratentum“, „Bolschewismus“, „Geiselhaft“ - Moskauer Medien und Unternehmer empören sich über den „staatlichen Raub“. Die Wut richtet sich vor allem dagegen, dass die EU Russland an den Pranger stelle. Brüssel habe über Monate massiv den Eindruck erweckt, dass die Mittelmeerinsel eine einzige Geldwaschanlage für Russen sei, kritisiert das Wirtschaftsblatt „Wedomosti“.

Es ist ein offenes Geheimnis, dass russische Steuerflüchtlinge - darunter wohl auch hochrangige Politiker - ihr Schwarzgeld auf Zypern lagern. Doch auch Weltkonzerne wie der Metallgigant Norilsk Nickel haben dort offiziell ihren Sitz. Viele Firmen hoffen wegen des auf Zypern gültigen britischen Rechtssystems auf neutralere Verfahren als vor der oft von Korruption und Willkür geprägten russischen Justiz.

Nicht ausgeschlossen aber ist, dass der Streit um Zyperns Konten auch Vorteile für Russland bringt. Möglich, dass Nikosia im Gegenzug für Hilfen nun Moskau Details über russische Geldeinlagen zukommen lässt. Das käme dem Kreml zupass, der endlich Mittel und Wege gegen die jährliche Kapitalflucht von Dutzenden Milliarden Euro finden will.

Möglich auch, dass der vom Kreml gesteuerte Rohstoffgigant Gazprom sich Schürfrechte rund um Zypern zusichern lässt. Auch andere Staatsunternehmen hoffen auf Beteiligungen, etwa bei Infrastrukturprojekten.

Immer wieder gibt es zudem Gerüchte über russische Militärpläne auf der strategisch günstig gelegenen Insel. Spätestens seit das Verteidigungsministerium eine ständige Schnelle Eingreiftruppe im Mittelmeer ankündigte, sucht die Marine nach einer geeigneten Basis. Allerdings hatte Zypern dies stets vehement dementiert.