Andreas Voßkuhle: Juristischer Gegenspieler der Politik
Karlsruhe (dpa) - Das Bundesverfassungsgericht kippt das gerade erst reformierte Wahlrecht - und wieder ist es ein Urteil des Zweiten Senats unter Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle, das den Politikbetrieb aufscheucht.
Der 48-Jährige hat sich in seinen gut zwei Jahren als Präsident des höchsten deutschen Gerichts zu einem juristischen Gegenspieler der Berliner Politik entwickelt.
Seit seiner Ernennung zum Verfassungsrichter im Mai 2008 ist Voßkuhle Vorsitzender des Zweiten Senats. Dort wurden zuletzt die politisch brisantesten Entscheidungen getroffen, etwa zum EU-Vertrag von Lissabon oder zur Sicherungsverwahrung. Noch anhängig ist das Verfahren über den europäischen Fiskalpakt und den Euro-Rettungsschirm ESM. Dabei wollen sich die Richter nicht unter Zeitdruck setzen lassen.
Das Karlsruher Gericht sei „einer der ganz wenigen Orte, an denen man abgeschirmt von äußeren Einflüssen Entscheidungen so intensiv durchdenken kann, wie man es für erforderlich hält. Es hat mitunter fast etwas Klösterliches“, schwärmte Voßkuhle in einem „Zeit“-Interview.
Doch klösterliche Weltfremdheit sollte man dem Freiburger Jura-Professor nicht unterstellen: Dass er auch das politische Bandenspiel beherrscht, zeigte sich, als das Gericht Bundespräsident Joachim Gauck mit sanftem öffentlichen Druck dazu brachte, die Gesetze zum Euro-Rettungsschirm erst einmal nicht zu unterschreiben. Die Rollen hätten auch anders verteilt sein können: Nach dem Rücktritt von Christian Wulff fragte die Bundeskanzlerin bei Voßkuhle an, ob er das Amt des Bundespräsidenten übernehmen wolle. Nach kurzer Bedenkzeit entschied er sich dagegen.