Anleger akzeptieren erstmals Negativ-Zins

Frankfurt/Main (dpa) - Vertrauensbeweis für Deutschland: Im Jahr drei der immer weiter eskalierenden Schuldenkrise setzen Investoren offensichtlich mehr denn je auf Nummer sicher - und nehmen dafür sogar Einbußen in Kauf.

Die Euroschuldenkrise hat die Finanzwelt weiter fest im Griff. Auf der verzweifelten Suche nach sicheren Anlage-Häfen akzeptierten Investoren mittlerweile zum wiederholten Mal Negativ-Zinsen. Was Ende des vergangenen Jahres bei der Versteigerung von dänischen Schuldverschreibungen noch als Kurskapriole für ungläubiges Kopfschütteln bei den Investoren sorgte, scheint im neuen Jahr Schule zu machen. Am Montag versteigerte die Bundesrepublik Deutschlands erstmals Wertpapiere mit einem negativen Zinssatz.

„Für den Emittenten Bund konnte mit der ersten Geldmarktauktion im Jahr 2012 ein wirtschaftlich sehr gutes Ergebnis erzielt werden.“ So frohlockte am Montag die Deutsche Finanzagentur, die für die Versteigerung deutscher Staatsanleihen zuständig ist. Nachdem bei der Versteigerung der Hammer fiel, lag die Durchschnittsrendite der so genannten Geldmarktpapiere mit einer sehr kurzen Laufzeit von sechs Monaten bei minus 0,01 Prozent.

Für die Experten der Finanzagentur war das derart ungewöhnlich, dass sie in der offiziellen Mitteilung prompt einen Fehler einbauten und das Minuszeichen vergaßen. „Das negative Vorzeichen bei der Durchschnittsrendite ist eben auch in der Schreibweise noch nicht üblich“, hieß es als Entschuldigung in einer korrigierten Fassung.

Wenn Schuldverschreibungen von Ländern mit Bestnoten der weltweit führenden Ratingagenturen versteigert werden, sind negative Zinsen aber mittlerweile kein Einzelfall. Ende des vergangenen Jahres musste bereits Dänemark für frisches Kapital unter dem Strich nichts zahlen und konnte sogar eine Prämie einstreichen. Dänemark ist nicht Mitglied der Eurozone und genießt unter den Investoren wie die übrigen skandinavischen Länder den Ruf als Hort der Stabilität. Mit Standard & Poor's, Moody's und Fitch haben alle drei der weltweit führenden Ratingagenturen Dänemark mit der Bestnote „AAA“ versehen.

Im Fall Dänemarks ging es aber nur um eine vergleichsweise kleine Summe von umgerechnet etwa 312 Millionen Euro, die sich das Land an den Kapitalmärkten besorgte. In eine ganz andere Dimension beim Volumen sind bereits die Niederländer vorgestoßen. Das neue Jahr hatte kaum begonnen, da konnte das ebenfalls mit Bestnoten der Ratingagenturen versehene Nachbarland etwa drei Milliarden Euro bei den Anlegern einsammeln, ohne Zinsen zahlen zu müssen. Das jüngste deutsche Bundeswertpapier mit einer Laufzeit von sechs Monaten spülte sogar 3,9 Milliarden Euro in die Staatskasse.

Der erste Negativ-Zins „unterstreicht die Nervosität, die derzeit an den Märkten herrscht“, kommentierte Anleihenexperte David Schnauz von der Commerzbank die Anleihen-Auktion. Für ihn kam das Ergebnis der Versteigerung nicht überraschend. Erst seit dem neuen Jahr haben die Investoren überhaupt erst die technische Möglichkeit, bei sehr kurzlaufenden Bundeswertpapieren negative Zinsen in das Computersystem der Finanzagentur einzustellen, dem sogenannten „Bund Bietungs-System“.

Wenn es diese Möglichkeit schön früher gegeben hätten, dann hätten sich die nervösen Investoren schon früher auf „Minus“-Renditen bei Bundeswertpapieren mit kurzen Laufzeiten eingelassen, versicherte Schnauz. „Es gibt einfach eine große Zahl von Investoren, die auf Nummer sicher gehen wollen.“ Für Experten ist die jüngste Versteigerung ein deutlicher Fingerzeig, wie tief das Vertrauen einzelner Investoren in die Krisenländer Eurozone gesunken ist. Zumindest scheint das Vertrauen der Anleger in die Anleihen solider Euroländer wie Deutschland nicht nachhaltig gestört, nachdem es zum Jahresende hier zunehmend Zweifel an den Märkten gab.