Analyse Auftrag Abschreckung - Von der Leyen richtet Truppe neu aus

Berlin (dpa) - Es gab Zeiten, da hatte die Bundeswehr vor allem eine Aufgabe: den Schutz der eigenen Grenzen. Deutschland war geteilt, die Mächte des Warschauer Pakts standen direkt vor der Tür, die Angst vor einer sowjetischen Aggression war allgegenwärtig.

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1,3 Millionen Soldaten standen in den 80er Jahren allein in Westdeutschland für den Verteidigungsfall bereit. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs brach die Zeit der „Friedensdividende“ an. Die Bundeswehr rüstete kräftig ab. Der Kalte Krieg war vorbei, die Heimat galt als sicher. Das hat sich in den vergangenen Jahren verändert.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen will die Bundeswehr neu ausrichten. In den nächsten Wochen will die CDU-Politikerin ein Grundsatzpapier erlassen, das festschreibt, worüber sie schon seit Jahren spricht - einen grundlegenden Umbau der Bundeswehr. Die jahrelang vorherrschende Fokussierung auf Auslandseinsätze soll beendet werden, steht im Entwurf der „Konzeption der Bundeswehr“. Stattdessen wolle man sich wieder „gleichrangig“ der Landesverteidigung widmen.

Dabei mangelt es der Truppe nicht an Aufgaben. Nach der Wende hat sich die Bundeswehr zur Einsatzarmee fern der Heimat entwickelt. Knapp 4000 deutsche Soldaten beteiligen sich derzeit in rund einem Dutzend Missionen weltweit. Sie schützen die Zivilbevölkerung im Südsudan, retten Flüchtlinge im Mittelmeer, sind aktiv gegen Waffenschmuggler vor der libanesischen und gegen Piraten vor der somalischen Küste. Künftig soll der Schutz der Heimat wieder genauso wichtig werden wie das Krisenmanagement in aller Welt.

Denn seit dem Ausbruch des Ukraine-Konflikts wachsen die Spannungen zwischen der Nato mit Russland. Vor allem die baltischen EU-Staaten Estland, Lettland und Litauen fühlen sich vom großen Nachbarn im Osten bedroht. Deutsche Panzer stehen seit eineinhalb Jahren im Baltikum. Die Bündnispartner rüsten auf.

In der neuen Konzeption gehe es auch um die Verschränkung von Truppenteilen in Europa und um die schnelle Verlegbarkeit von Soldaten und schwerem Kriegsgerät auf dem Kontinent, sagte der Sprecher des Ministeriums.

Das Papier ist Teil einer „Dokumentenhierarchie“ der Bundeswehr-Planer. Das Weißbuch gab bereits 2016 den politischen Rahmen vor für die künftige Rolle der Bundeswehr. Die „Konzeption der Bundeswehr“ stelle die strategische Ableitung daraus dar, sagte der Sprecher. In diesem Jahr soll schließlich noch ein Fähigkeitsprofil folgen, das die erforderlichen Ressourcen benennt.

„Das passt in die Lage“, kommentiert der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels den Strategiewechsel. Es gehe bei dem Konzept nicht um das Erreichen der alten Stärke der Truppe, aber um ein „Mindestmaß an Abschreckung“. Der SPD-Politiker warnt aber, dass man den Umbau der Bundeswehr ohne zusätzliche Mittel nicht bezahlen könne. Die Truppe sei für die Doppelaufgabe „bei Weitem nicht voll ausgerüstet“, sagt der SPD-Politiker der dpa. Das Verteidigungsministerium sieht die Landes- und Bündnisverteidigung auch als die „anspruchsvollste Aufgabe mit dem höchsten Nachholbedarf“, wie Staatssekretär Peter Tauber (CDU) an den Bundestag schreibt.

Die GroKo streitet derzeit heftig um den Wehretat. Von der Leyen ist unzufrieden mit den Haushaltsplänen von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) für die Bundeswehr. Ihre Umbaupläne kann sie als weiteres Argument anführen, um mehr Geld für die Truppe zu fordern. Es geht um das Auffüllen von Lücken, den Wiederaufbau alter Strukturen - und Ausgaben in Milliardenhöhe.

Beispiel: Das Heer soll bis 2032 auf bis zu drei voll ausgerüstete Divisionen mit jeweils 20.000 Soldaten aufwachsen, wie bereits vergangenes Jahr bekannt wurde. Derzeit habe man Mühe, eine Brigade mit rund 6000 Soldaten für die Nato einsatzbereit zu halten, sagt Bartels. Die Zahl der Kampfpanzer soll nach Angaben der Bundeswehr von derzeit 220 auf 328 erhöht werden.

Linken-Verteidigungspolitiker Tobias Pflüger spricht von einem „Dokument der sinnlosen Aufrüstung und Eskalation“. Von der Leyen wolle Deutschland zur „strategischen Drehscheibe“ für Truppenverlegungen in den Osten und gegen Russland machen, kritisiert er. Auch die Grünen halten nichts von der neuen Strategie von der Leyens. Der Umbau müsse im Parlament besprochen werden, forderte Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter. „Wir halten das erstens sicherheitspolitisch nicht für geboten, zweitens für außenpolitisch gefährlich.“