Komplizierte Gespräche Ballast für Jamaika

Berlin (dpa) - Überraschend dürfte der nächste Denkzettel für Angela Merkel kaum gekommen sein, zu deutlich war zuletzt der Umfragetrend.

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Dass CDU-Herausforderer Bernd Althusmann beim ersten Stimmungstest nach der Bundestagswahl vor drei Wochen wohl sogar das schlechteste CDU-Ergebnis in Niedersachsen seit fast 60 Jahren eingefahren hat, dürfte die Kanzlerin aber dennoch kaum kalt lassen. Drei Tage vor dem Start der komplizierten Jamaika-Gespräche ist das neuer Ballast für den anstehenden Poker-Marathon. Aber nicht nur für Merkel. Denn auch Grüne und FDP kriegen teils kräftige Nasenstüber.

Kopfschütteln und betretende Gesichter gibt's im Adenauerhaus, als um 18.00 Uhr der Prognose-Balken für die CDU bei 35-Prozent stehen bleibt. Die CDU-Anhänger hier haben sich mehr erwartet. Zumal die Christdemokraten in Niedersachsen im August noch zwölf Punkte vor SPD-Amtsinhaber Stephan Weil lag. Da hilft auch der entschlossene Auftritt von Althusmann nicht, der unter dem Jubel seiner Anhänger ruft: „In Sack und Asche gehen müssen wir überhaupt nicht.“

Als Merkels Generalsekretär Peter Tauber vor die Kameras tritt, ist die Verteidigungslinie der Bundes-CDU schnell klar. Nach fünf Wahlkämpfen in diesem Jahr habe man vier Mal einen Regierungsauftrag erhalten: „Das hätte im Januar kaum einer für möglich gehalten - insgesamt also eine gute Bilanz“, sagt er. Wieder habe sich gezeigt, „dass Landtagswahlen Landtagswahlen sind“, wiederholt Tauber Merkels Mantra. In Niedersachsen habe die Wechselstimmung gefehlt, die Zufriedenheit mit Rot-Grün sei gut gewesen. Im Klartext: Althusmann habe es eben nicht geschafft, eine Wechselstimmung zu erzeugen.

Aber was heißt das CDU-Minus von der Leine nun wirklich für die Kanzlerin? Im CDU-Vorstand könnten sich jene bestätigt sehen, die Merkels Flüchtlingspolitik kritisieren und ihr eine katastrophale Reaktion auf des schlechteste CDU-Ergebnis im Bund seit 1949 („Weiter so“) bescheinigen. Gut möglich also, dass es am Montag in den CDU-Gremien neue Schuldzuweisungen in Richtung Merkel gibt. Zumindest hinter verschlossenen Türen.

Doch die meisten in der CDU-Spitze dürften die Vorsitzende vor den Jamaika-Treffen tatsächlich kaum weiter schwächen wollen. Zumindest nicht öffentlich. Der CDU-Wirtschaftsrat, der Merkel eine Mitschuld gibt, ist da am Wahlabend die Ausnahme. Selbst in den Reihen ihrer Kritiker rechnet man nicht damit, dass es erneut „zu großen Eruptionen“ kommt. Merkels Position in der Partei sei derzeit quasi unangefochten. Doch wie lange das so bleibt, weiß keiner. Merkel muss nun liefern: Beim von vielen verlangten Generationenwechsel, aber auch mit neuen Inhalten, die der AfD das Wasser abgraben sollen.

FDP-Vize Wolfgang Kubicki legt denn auch sofort den Finger in die Unionswunde. Denn aus seiner Sicht könnte nicht nur Niedersachsen, sondern auch der Ausgang der Österreich-Wahl erneut das Klima zwischen den notorisch zerstrittenen Unionsschwestern belasten. Denn die CSU könne das hohe Ergebnis der rechtskonservativen FPÖ zum Anlass nehmen, die Diskussion über den Umgang mit Flüchtlingen wieder zu befeuern. Außerdem sei nicht einzuschätzen, wieweit die Grünen nach ihrem Minus in Niedersachsen für Unruhe in den Jamaika-Verhandlungen sorgen könnten.

Die Grünen - kleinster Jamaika-Partner - versuchen erstmal, den großen Verlust von gut fünf Punkten klein zu reden. Sie hätten immer noch das zweitbeste Wahlergebnis in Niedersachsen erreicht, sagen die Parteichefs Cem Özdemir und Simone Peter. Und halten sich erstmal an der Hoffnung fest, dass es im Laufe des Wahlabends irgendwie doch noch für die Fortsetzung von Rot-Grün in Hannover reichen könnte - vergeblich. Immerhin hatte die Grüne Elke Twesten mit ihrem Wechsel zur CDU die vorgezogene Wahl erst notwendig gemacht. Auswirkungen auf Jamaika? Keine, darauf beharren sie in der Parteizentrale auch im Hintergrund. Landtagswahl ist Landtagswahl, da sind sich Grüne und CDU an diesem Abend schonmal einig.

Und was macht Seehofer? Legt er tatsächlich nochmal gegen Merkel nach? An diesem Montag stellt sich der angeschlagene CSU-Chef dem Parteivorstand, da wäre die passende Gelegenheit. CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer gibt am Wahlabend schon mal die Linie vor. Niedersachsen sei ein „erneutes Alarmsignal“ für die gesamte Union. Und er macht deutlich, was das heißt: Klare Kante der CSU in den Jamaika-Gesprächen. Die Kanzlerin dürfte das nicht entspannen.