GroKo will Mieten dämpfen „Baukindergeld“ und Zankapfel „BImA“
Berlin (dpa) - Für den Normalbürger ist es zum Verzweifeln, wenn man gerade in Großstädten wie München, Frankfurt oder Berlin eine Wohnung sucht.
Denn bei Wiedervermietungen sind die Preise teilweise explodiert, und auch bei bestehenden Mieten kann es zu drastischen Zuwächsen kommen. Dazu kommt, dass Hunderttausende neue Wohnungen fehlen. Ein großes Thema für Millionen von Menschen - die nach einem Thema suchende neue große Koalition will das zur Priorität machen.
„Wir haben eines der dicksten Bretter der Koalitionsverhandlungen gebohrt“, sagt Niedersachsens Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) am Sonntagabend in der SPD-Zentrale erleichtert. Und SPD-Vize Natascha Kohnen betont, ein bezahlbares Dach über dem Kopf werde die soziale Frage des 21. Jahrhunderts sein. Die Unterhändler haben vereinbart, dass bis 2021 zusätzlich bis zu vier Milliarden Euro in die Hand genommen werden sollen - um mehr billigen Wohnraum zu schaffen und um jungen Familien beim Traum vom Eigenheim zu helfen.
Das Lieblingsprojekt der Union ist dabei das „Baukindergeld“ für Familien mit mittlerem Einkommen, die bisher nicht genug Eigenkapital haben. Über einen Zeitraum von zehn Jahren sollen die Familien 1200 Euro je Kind und pro Jahr erhalten. Das „Baukindergeld“ soll bis zu einem zu versteuernden Haushaltseinkommen von 75 000 Euro plus 15 000 Euro Freibetrag je Kind gewährt werden. Es wird nach Angaben der Unterhändler rund 440 Millionen Euro im Jahr kosten.
Um Mieter besser zu schützen, soll zudem die weitgehend wirkungslose Mietpreisbremse verschärft werden. Damit in Ballungszentren die Mieten bei Neuvermietungen auch wirklich nur um maximal zehn Prozent über der ortsüblichen Miete liegen, sollen Vermieter zur Offenlegung der vorher kassierten Miete verpflichtet werden. „Mehr Transparenz, weniger Ausnahmen und Sanktionen für Vermieter, die sich nicht an das Gesetz halten, sind notwendig“, fordert der Deutsche Mieterbund.
Einig ist man sich, dass vor allem rasch mehr gebaut werden muss. Verfahren sollen beschleunigt und die Bauplanung vereinfacht werden. Pro Jahr müssten aus Sicht des Mieterbundes knapp 400 000 neue Wohnungen gebaut werden, um die Wohnungsnot zu lindern - davon 80 000 Sozialmietwohnungen. Im vergangenen Jahr aber wurden nach Angaben der Bauindustrie nur rund 320 000 neue Wohnungen fertig gestellt. Ein Schlüsselwort zur Dämpfung der Misere lautet aus Sicht der SPD neben zusätzlich zwei Milliarden Euro mehr für sozialen Wohnungsbau: „BImA“.
Dahinter verbirgt sich die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA). Sie gehört dem Bund und besitzt 470 000 Hektar und mehr als 37 000 Wohnungen, eine der größten Immobilieneigentümerinnen Deutschlands. Oft geht es um Filetgrundstücke in besten Lagen - kommen hier Kommunen mehr zum Zuge, könnte der „Auslagerung“ von Sozialwohnungen fern der Stadtzentren entgegen gewirkt werden.
Geplant ist nun, dass es Kommunen erleichtert werden soll, günstiger Grundstücke des Bundes zu kaufen - damit dort dann billige Wohnungen entstehen. „Wie viele Grundstücke verkaufte die BImA zur Linderung der Not zu günstigen Preisen an Länder und Kommunen in den vergangenen zwei Jahren? Elf!“, kritisierte jüngst der Berliner „Tagesspiegel“ die bisherige Verkaufspraxis der BImA scharf.
Gerade in Berlin kommen in der Regel Finanzinvestoren zum Zuge, das lässt die Kassen des Bundes klingeln. Gemeinden und Städten wird zwar ein Vorkaufsrecht angeboten, der Preis orientiert sich aber in der Regel am Höchstgebot. Als eines der wenigen großen Areale konnte das Land Berlin nach langem Kampf das 4,7 Hektar große Dragoner-Areal in Kreuzberg vom Bund erhalten. Der Bund wollte das Grundstück zunächst für 36 Millionen Euro - dem dreifachen Verkehrswert - an einen Investor verkaufen. Nun sollen hier über 500 Wohnungen entstehen.
Erklärtes Ziel ist es, BImA-Grundstücke zu vergünstigten Konditionen Kommunen zur Verfügung zu stellen. Die generelle Diskussionslinie in den Verhandlungen verlief so: einen Schwerpunkt legen auf einen marktwirtschaftlichen Ansatz über mehr Wohneigentum, wie es die Union will - oder ein stärkeres Eingreifen des Staates über mehr sozialen Wohnungsbau und schärfere Mietpreisbremse, dafür steht die SPD.
Reformiert werden soll auch die Modernisierungsumlage - das ist oft ein Vehikel für satte Mietaufschläge, wenn etwa Aufzüge oder Balkone eingebaut worden sind. Nach jetziger Rechtslage darf der Vermieter elf Prozent der Modernisierungskosten auf die Jahresmiete aufschlagen - dies soll auf acht Prozent gesenkt werden.
Ein kreatives Beispiel, wie es auch gehen kann, um die Wohnungsnot zu lindern, lieferte mitten in den Koalitionsverhandlungen Aldi Nord. Der Discountriese will auf seinen Grundstücken tausende bezahlbare Wohnungen in Berlin und Hamburg bauen. Die Idee: Im Erdgeschoss ein Aldi und darüber mehrere Stockwerke Wohnungen. Der Discounter hat auch schon einen Slogan für die Wohnungsoffensive parat: „Auf Aldi kann man bauen.“