Probleme bleiben Befreiung Mossuls: Tanz auf dem Vulkan

Mossul/Bagdad (dpa) - Kurz bevor der Sturm der irakischen Armee auf Mossul beginnt, wird Abu Haidar vom IS gezwungen, sein Heimatdorf Tel Arbid im Umland der Millionenstadt zu verlassen und nach West-Mossul zu gehen.

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Die Menschen seien in den Häusern eingeschlossen worden, erzählte Abu Haidar der Menschenrechtsorganisation Amnesty International. Die Türen seien stellenweise mit Sprengfallen versehen worden, damit niemand flüchten konnte. „Wir waren menschliche Schutzschilde.“

Andere Überlebende aus Mossul berichten von Zivilisten, deren Körper an Strommasten aufgehangen worden seien, weil sie versucht hätten zu fliehen. Mit der Eroberung von Mossul durch die irakische Armee ist dieser Terror vorbei - aber viele Probleme bleiben.

Am Montagabend verkündete der irakische Ministerpräsident Haidar al-Abadi den endgültigen Sieg über die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) in Mossul, wenngleich sich noch vereinzelt Kämpfer in der Stadt aufhalten sollen. Das IS-Sprachrohr Amak verbreitete auch am Dienstag noch Meldungen im Internet, nach denen „Soldaten des Kalifats“ mehrere Soldaten der irakischen Armee getötet hätten. In sozialen Netzwerken bauen Unterstützer der Dschihadisten ein neues Narrativ auf: Die Schlacht um Mossul mag zwar verloren sein, aber der Krieg geht weiter!

Denn obwohl die Extremisten ihre größte Hochburg im Irak verloren haben und auch im syrischen Al-Rakka vor einer Niederlage stehen, sind sie noch lange nicht besiegt. Selbst wenn der IS das verliert, was ihn von anderen Terrororganisationen unterschiedet - ein Herrschaftsgebiet - lebt die Ideologie in den Köpfen von Unterstützern und Kämpfern weiter. Und die Gefahr von einzelnen Anschlägen, wie es sie in den vergangenen Monaten in vielen Teilen des „vom IS befreiten“ Irak gegeben hat, ist weiterhin hoch.

Inzwischen kehren die ersten Menschen wieder zurück. Vor allem östlich des Flusses Tigris, dessen Ufer schon länger von den Dschihadisten befreit sind, fangen die Bewohner an, ihre zerstörten Häuser wieder aufzubauen. Luftaufnahmen des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen UNHCR zeigen zerstörte Straßenzüge, Trümmer liegen am Straßenrand, zwischendurch sind Dächer durch Bomben eingestürzt.

Fast 900 000 Menschen waren vor der Gewalt und den Kämpfen geflohen. Die UN rechnen damit, dass allein für den Aufbau der grundsätzlichen Infrastruktur rund eine Milliarde US-Dollar (ca. 880 Millionen Euro) ausgegeben werden müssen. Strom- und Wassernetzwerke sind zerstört, dazu viele Schulen und Krankenhäuser.

„Die Menschen haben in der Regel alles verloren“, sagte die Regionalsprecherin der Welthungerhilfe, Stephanie Binder, der „Heilbronner Stimme“. Viele Menschen seien schwer traumatisiert. Wegen des Militärkonflikts sei der Zugang zu den Menschen weiterhin schwierig. „Ein Ende der humanitären Krise im Irak ist auch nach der offiziellen Rückeroberung Mossuls nicht in Sicht“, sagte Binder.

Im Irak feiern die Menschen jedoch erst einmal, trotz aller ungelösten Probleme. Eine Woche lang soll - staatlich verordnet - die Befreiung Mossul gefeiert werden. In den Straßen Bagdads gab es schon während der Nacht traditionelle irakische Tänze und Musik. Die Probleme werden dadurch aber nicht geringer.