Bei Merkel biss Raab auf Granit

Berlin (dpa) - Im Fernsehduell zur Bundestagswahl hat sich auch der neue Moderator Stefan Raab an den Kontrahenten die Zähne ausgebissen - ebenso wie seine drei Kollegen.

Die Versuche des gewohnt krawattenlosen ProSieben-Entertainers („TV total“, „Schlag den Raab“), am Sonntagabend Kanzlerin Angela Merkel (CDU) zu unterbrechen und mit Zwischenfragen zu konfrontieren, scheiterten an der Durchsetzungsfähigkeit der Regierungschefin. Sie ließ sich durch den Neuankömmling im Moderatorenquartett von ihrem Redefluss nicht abbringen. Allerdings fiel er nach Expertenmeinung auch nicht hinter seinen drei Kollegen Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL) zurück.

Raabs Auftritt war mit Spannung erwartet worden. Würde der unkonventionelle Star des Privatfernsehens das ritualisierte Duell lebendig werden lassen?

Bei Raabs Frage, ob es den Deutschen finanziell nach weiteren vier Merkel-Jahren besser oder schlechter gehe, ließ die Kanzlerin trotz mehrfacher Anläufe kein Nachhaken zu. Auch als Raab wissen wollte, ob es kreative Ideen zur Staatsfinanzierung gebe. Originell war der Entertainer, als er in einem wohlvorbereiteten Zahlenspiel der Kanzlerin vorrechnete, dass Deutschland erst im Jahr 2184 schuldenfrei sei, wenn jetzt mit dem Schuldenabbau angefangen würde. Und als Raab die Kanzlerin anmahnte, ihr Zeitbudget einzuhalten, da lächelte sie nur verständnisvoll.

Etwas besser und lebhafter klappte die Auseinandersetzung des Polit-Novizen mit SPD-Herausforderer Peer Steinbrück. Als Raab diesen auf die Flexibilisierung beim Renteneintrittsalter ansprach, schob er noch nach: „Ihre Mitstreiterin, Frau Schwesig, hat die Rente mit 65 gefordert. Kommunizieren Sie nicht miteinander?“ Und richtig lebhaft wurde es dann zehn Minuten vor Schluss, als Raab von Steinbrück wissen wollte: „Angenommen, ich wünsche mir eine große Koalition mit Steinbrück als Vizekanzler. Was muss ich dann wählen?“

Der Medienwissenschaftler und frühere Leiter des Grimme-Instituts, Bernd Gäbler, analysierte im Anschluss: „Der Super-Polit-Journalist der Zukunft ist er sicher nicht.“ Vor dem TV-Duell hätten sich viele Hoffnungen auf den „Wok-Weltmeister“ Raab gerichtet, das dröge Ritual zu beleben. „Das Format konnte er aber selbstverständlich ebensowenig prägen wie sprengen“, sagte Gäbler der Nachrichtenagentur dpa. „So verdeutlichte er mal die Dimension der Verschuldung und fragte auch salopp, ob Seehofer bei der PKW-Maut "spinne". Dann gab er sich etwas sehr aufgesetzt Mühe, mit Verve zu fragen, ob Steinbrück nicht doch für eine große Koalition zur Verfügung stehen wolle. Auch ihm gelang es aber nicht, den Disputierenden auch nur eine einzige überraschende Antwort zu entlocken.“

Raabs Kollegen - Anne Will (ARD), Maybrit Illner (ZDF) und Peter Kloeppel (RTL) - ging es jedoch auch nicht besser. „Das absurde Missverhältnis von 4 Fragenden zu 2 Antwortenden wurde im diesjährigen TV-Duell besonders deutlich“, sagte Gäbler weiter. „Es gab kein Mannschaftsspiel der Moderatoren, sondern vier Alleingänge. Jeder wollte seine Fragen loswerden, statt thematisch am Ball zu bleiben. Ein Gespräch, ein Dialog gar ist so nicht möglich.“ Gäbler fügte hinzu: „Erst recht vergibt der politische Journalismus die Chance, ruhig und sachlich nachzuhaken, die Politiker systematisch in die Enge zu treiben.“

Ob Raab beim nächsten TV -Duell wieder am Start ist? Gut möglich, denn der gebürtige Kölner ist ehrgeizig und will seine Talkshow „Absolute Mehrheit“ auf ProSieben fortführen.