Analyse Bloß kein „Jamaika Reloaded“
Berlin (dpa) - Eines hat sich Angela Merkel fest vorgenommen: Sollte es im Januar mit der SPD zu Sondierungen über eine dritte GroKo unter ihrer Regie kommen, werden die Gespräche ganz anders ablaufen als bei den Jamaika-Runden.
Kein über 60 Seiten starker Themenkatalog wie bei den Verhandlungen der Union mit FDP und Grünen, dessen Details dann zerredet werden. Ein Zehntel davon mit einigen zentralen Zielen würde auch reichen, glaubt die CDU-Vorsitzende. Und die Parlamentarische Gesellschaft nahe beim Bundestag gilt in Union und SPD bei der Wahl des Verhandlungsorts schon fast als verbrannte Erde - die gemeinsamen Balkon-Fotos der gescheiterten Jamaikaner sind ein böses Omen.
Mit der SPD werde man „mehr zu der klassischen Form von Sondierungen zurückkehren“, sagt Merkel. „Es werden Leitplanken festgelegt, entlang derer dann Koalitionsverhandlungen geführt werden“ - fertig. Auch „etwas weniger Öffentlichkeitsarbeit“ solle es bitte schön geben, wünscht sie sich.
Bei Jamaika hatten die Unterhändler peinlich darauf geachtet, welche Wasserstände die andere Seite durchgestochen hatte - einfacher waren die Gespräche dadurch nicht geworden. An drakonische Maßnahmen wie ein Twitterverbot will Merkel aber dann doch nicht denken: „Ob es gelingt, weniger Publicity zu haben, das zeigt sich an den Taten.“ Bloß kein „Jamaika Reloaded“, soll das alles heißen.
Dreieinhalb Stunden lang hat die CDU-Spitze am Sonntagabend für die Aufarbeitung des miserablen Unionsergebnisses vom 24. September verwendet. Selbst jene, die sich sonst zu den Merkel-Kritikern zählen, berichten von einer lebendigen, konstruktiven Debatte.
Als am Montag die Rede darauf kommt, versucht die CDU-Chefin gar nicht erst, darum herumzureden. Natürlich trage sie Verantwortung für das Ergebnis, dafür habe sie „keine besonderen Hinweise“ aus der Runde gebraucht. Es sei aber „keine Diskussion über einzelne Personen und auch nicht über mich geführt worden“. Das ist so üblich in den Reihen der CDU: In den Sitzungen schweigen die Kritiker oft.
Im Wahlkampf habe es eine Reihe offener Flanken gegeben, räumt Merkel nun ein und nennt als erstes die Uneinigkeit zwischen CDU und CSU in der Flüchtlingspolitik. Zumindest indirekt gibt sie zu, dass es wohl ein Fehler war, sich nicht schon vor der Wahl auf das gemeinsame Migrationsregelwerk geeinigt zu haben. Wäre dies schon vor der Wahl passiert, „wäre es für das Ergebnis förderlicher gewesen“. Zur Erinnerung: CDU/CSU hatten am 24. September mit 32,9 Prozent ihr schwächstes Ergebnis seit 1949 eingefahren.
Fast noch interessanter als der Rückblick am Sonntag und die Merkel-Äußerungen darüber ist aber das, was sich nach Angaben von Teilnehmern dann am Montag beim Blick in die Zukunft in der CDU-Spitze abgespielt hat. Da geht es zumindest symbolisch auch um die Machtfrage in der CDU.
Natürlich hat der Kreis um Merkel registriert, dass der Konservative Jens Spahn, der Thüringer CDU-Chef Mike Mohring und der Chef des Unions-Mittelstands, Carsten Linnemann, am Sonntagabend demonstrativ Seit' an Seit' durchs Schneetreiben ins Adenauer-Haus gekommen waren. Nach dem Ende der Beratungen am Montag sei das Trio, das sich gerne als besonders konservativ und Merkel-kritisch gibt, dann auch wieder gemeinsam gegangen. Erst am Wochenende hatte Spahn wieder mit Gedankenspielen über eine Minderheitsregierung von sich reden gemacht - Merkel dürfte das nicht gefallen haben.
Hinter verschlossener Tür habe Präsidiumsmitglied Karl-Josef Laumann dann Klartext geredet, erzählen Teilnehmer. Jenen, die großartig über die Möglichkeit einer Minderheitsregierung sprächen, gehe es nicht um die Sache, wird Nordrhein-Westfalens bodenständiger Arbeitsminister zitiert. Sie wüssten vielmehr ganz genau, dass eine solche Konstellation eine Parteiführung aufreiben werde und schnell zu einer Neuwahl führe. Wer mit solchen Gedanken spiele, spekuliere nur darauf, dass es dann eine andere Aufstellung geben könnte: eine ohne Merkel. Das war deutlich. Spahn und andere sollen sich dazu nicht geäußert haben.
Merkel antwortet später auf die Journalistenfrage, ob sie nochmal antreten werde, falls die GroKo-Sondierungen doch platzen sollten, so flapsig, wie sie es manchmal tut, wenn sie zu Dingen Stellung nehmen soll, die sie für selbstverständlich hält. Schließlich hatte sie schon direkt am Tag nach dem Jamaika-Scheitern im Fernsehen eine erneute Kandidatur angekündigt - wohl auch, um interne Unruhe im Keim zu ersticken.
Dann schiebt sie aber doch noch hinterher, dass sie im Wahlkampf ja oft gefragt worden sei, ob sie für vier Jahre antrete: „Erkennbar sind die ja noch lange nicht um. Auch wenn's etwas länger mit der Regierungsbildung dauert, als wir das gemeinhin traditionell in Deutschland hatten.“
Und ungewöhnlich deutlich weist Merkel dann zum Schluss jene in den eigenen Reihen sogar öffentlich in die Schranken, die immer wieder eine Minderheitsregierung ins Spiel bringen. An solchen Spekulationen wolle sie sich nicht beteiligen, sagt die Kanzlerin. „Wir konzentrieren uns jetzt darauf, dass wir eine stabile Regierung bilden wollen.“ Und eine Minderheitsregierung sei „natürlich in jedem Falle keine stabile Regierung“.
Auf die Nachfrage, ob das die Meinung aller in der Runde gewesen sei, setzt sie noch einen drauf: „So war heute die Einigkeit.“ Für Merkels Verhältnisse ist das schon fast ein ungewöhnliches Machtwort. Beinahe wie ein Basta.