Flügelkämpfe im Weißen Haus Das große Hauen und Stechen: Trump und Bannon teilen aus
Washington (dpa) - Eigentlich ist Urlaubszeit in Washington. Es ist heiß im August, Senatoren und Kongressabgeordnete sind in ihren Heimatorten und der Präsident urlaubt irgendwo im Land. Im ersten Sommer unter Donald Trump dagegen geht es rund.
Die Visiere sind hochgeklappt, die Boxhandschuhe beiseite gelegt. Im politischen Washington scheint der Kampf „Jeder gegen Jeden“ ausgerufen - und er greift auf die ganze US-Gesellschaft über. Ausgang offen!
Die Geschehnisse vom vergangenen Wochenende in Charlottesville haben den tiefen Riss zwischen Rechts und Links in der US-Bevölkerung offenbart. Und der Präsident tut gemeinsam mit seinen Einsagern im Weißen Haus alles, um ihn zu vertiefen. Hass und Richtungsstreit entladen sich gerade in einer Art Bildersturm auf die Denkmäler einstiger Südstaaten-Führer. Demonstranten holen die Statuen vom Sockel, liberale Stadtregierungen lassen sie nach oft monatelangen Debatten entfernen - sie seien zu Ikonen der Rassisten geworden.
Trump wettert, offenbar besorgt um seine laut Umfragen bröckelnde Wählerbasis, auf Twitter dagegen. Kultur und Geschichte werde „auseinandergerissen“, bemängelt er. „Geschichte kann man nicht ändern, aber man kann aus ihr lernen“, lautet sein Credo.
Zuvor war er bei der Beurteilung der rassistischen Demonstration in Charlottesville mehrmals vor und zurück gerudert. Am Donnerstag meinte er, er habe niemals Rassisten und Gegendemonstranten auf ein- und dieselbe moralische Ebene gestellt. Viele Amerikaner, darunter auch viele Prominente wie der frühere CIA-Chef John Brennan, haben das völlig anders wahrgenommen.
Spiegelbildlich mit dem vom Präsidenten wortreich begleiteten und damit angefachten Flügelkampf in der US-Gesellschaft findet ein Hauen und Stechen im Weißen Haus selbst und in der Republikanischen Partei statt. Trump schießt offen und teils beleidigend gegen Parteigänger wie den Senator Lindsey Graham oder Jeff Flake.
Steve Bannon, Trumps rechtslastiger Chefstratege, meldete sich am Mittwoch urplötzlich im Telefonat mit einem Journalisten zu Wort - und zwar so, dass selbst der Schreiber seine Verwunderung sowohl über die Art des Zustandekommens als auch über den Inhalt des Gesprächs in seinem Artikel nicht unterdrücken konnte.
Bannon war zuletzt schwer unter Druck geraten, Gerüchte über sein baldiges Abdanken machten die Runde. Trump soll ihn als Quelle unerlaubter Durchstechereien an die Medien enttarnt haben, unter anderem mit Negativ-Berichten über den Präsidenten-Schwiegersohn Jared Kushner und moderate Kräfte im Weißen Haus wie den Wirtschaftsexperten Gary Cohn und den Sicherheitsberater Herbert Raymond McMaster.
Jetzt schlägt Bannon zurück, offenbar alles auf eine Karte setzend. „Sie machen sich in die Hose“, sagte er auf die Frage, was denn mit seinen internen Konkurrenten im Beraterkreis um Trump sei. Er werde mehr Falken ins Team holen und die Tauben feuern. Als Beispiel nannt er die Ostasien-Expertin im Außenministerium, Susan Thornton: „Ich werde Susan Thornton im Außenministerium rauskegeln.“
Trump, der sich im Weißen Haus gerne als Alleinherrscher geriert, dürfte diese erneute Amtsanmaßung Bannons nicht uneingeschränkt gefallen. Bannon selbst sieht dagegen in seinen Aussagen einen Geniestreich. Mit einem einzigen Anruf habe er Druck von Trump genommen, sagte er der britischen Postille „Daily Mail“.
Er kämpfe jeden Tag gegen den Apparat im Weißen Haus, sagte Bannon. Er wisse den Präsidenten normalerweise auf seiner Seite, etwa bei der Behandlung des Wirtschaftskonfliktes mit China als Handelskrieg. Aber es gebe eben auch Leute wie Gary Cohn, die Goldman-Sachs-Lobby und die im Finanzministerium. „Der Apparat spielt verrückt“, sagte Bannon dem Mitgründer der Publikation „The American Prospektive“, Robert Kuttner, einem eher progressiven Journalisten.
Die Rechtsradikalen von Charlottesville bezeichnete Bannon nebenbei als eine „Ansammlung von Clowns“. Die Rassismusdebatte will er dennoch weiter führen, um den Demokraten zu schaden, die sich darin verfingen.
Die große Frage, die sich mit den Äußerungen des Präsidentenberaters und seines Chefs verbindet, lautet: „Was soll das?“
Kämpft Trump angesichts noch einmal schlechter gewordener Umfragewerte um seine Wählerbasis am rechten Rand? Legt er sich bewusst auch mit großen Teilen der Republikanischen Partei an, um den Machtkampf auf die Spitze zu treiben und damit - so oder so - irgendwann zu beenden? Oder weiß der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika, inzwischen isoliert von eigener Partei, Medien, Geheimdiensten, den beiden Kongress-Kammern, ehemaligen Gefolgsleuten und Teilen der Wirtschaft, einfach nicht mehr, was er tun soll?