Deutschland hat nur noch 80,2 Millionen Einwohner
Berlin (dpa) - Bislang gingen die Statistiker von 82 Millionen Deutschen aus. Doch die erste Volkszählung seit mehr als zwei Jahrzehnten zeigt: Es sind deutlich weniger. Einige Kommunen trifft das hart, weil es bei der Einwohnerzahl nicht nur um Prestige geht, sondern auch um bares Geld.
Statt der bislang angenommenen Zahl von knapp 81,8 Millionen hat die Bundesrepublik derzeit nur rund 80,2 Millionen Einwohner. Das geht aus dem Zensus 2011 hervor, den das Statistische Bundesamt in Berlin präsentierte. Die neuen Daten sind von großer Bedeutung: Viele finanzielle Zuwendungen richten sich nämlich nach der Einwohnerzahl.
Die Bevölkerung war zuletzt im Jahr 1987 in der Bundesrepublik sowie 1981 in der DDR gezählt worden. Auf der Grundlage der damaligen Ergebnisse wurden die Daten fortgeschrieben und im Laufe der Zeit immer ungenauer. Die erste Volkszählung seit mehr als zwei Jahrzehnten kommt nunmehr auf exakt 80 219 695 Einwohner. Auffallend ist, dass vor allem die Zahl der Ausländer deutlich niedriger ist als angenommen: Es sind 1,1 Millionen oder 14,9 Prozent weniger als bislang gedacht.
Der Chef des Statistischen Bundesamts, Roderich Egeler, sagte, ein Bevölkerungs-Minus sei erwartbar gewesen. „Aber die Größenordnung hat uns etwas überrascht.“ Das Minus schlägt sich dabei regional sehr unterschiedlich nieder: In Berlin und Hamburg liegen die neuen Einwohnerzahlen am deutlichsten unter den bisherigen Annahmen. Ein überdurchschnittliches Minus weisen auch Aachen, Mannheim und Nürnberg auf.
Für die Länder und Kommunen geht es bei den neuen Daten um bares Geld. Die Berechnung des Länderfinanzausgleichs und der Zuweisungen an die Kommunen orientieren unter anderem an den jeweiligen Einwohnerzahlen. Erhebliche Einbußen drohen jetzt etwa der hoch verschuldeten Hauptstadt Berlin, die statt der vermuteten 3,47 Millionen lediglich 3,29 Millionen Einwohner hat. Der Stadtstaat muss nach den Worten des Regierenden Bürgermeisters Klaus Wowereit (SPD) im Rahmen des Länderfinanzausgleichs für 2012 und 2013 jeweils 470 Millionen Euro zurückzahlen.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Stephan Articus, sagte, für Kommunen mit Einwohnerverlusten könne es schmerzhaft sein, wenn sich die Zuweisungen in Zukunft verringerten. Er appellierte an die Bundesländer, Übergangsregelungen zu schaffen, um die finanziellen Auswirkungen abzufedern.
Mannheim drohte bereits mit einer Klage gegen den Zensus. „Wir haben mit einem Rückgang der Einwohnerzahl gerechnet“, sagte Oberbürgermeister Peter Kurz (SPD). „Die aktuellen Zahlen des Zensus liegen jedoch weit jenseits dessen, was erklärlich und vorstellbar ist.“
Laut Zensus stammt mittlerweile fast jeder Fünfte in Deutschland aus einer Zuwandererfamilie - insgesamt sind es 15 Millionen Einwohner. Den höchsten Migrantenanteil der Länder hat Hamburg (27,5 Prozent), gefolgt von Baden-Württemberg (25,2) und Bremen (25,1). Viele der Menschen mit ausländischen Wurzeln haben aber die deutsche Staatsbürgerschaft: Unter den 80,2 Millionen Einwohnern finden sich nur knapp 6,2 Millionen Ausländer - eine Quote von 7,7 Prozent.
Die Statistiker sammelten auch umfangreiche Daten zur Wohnungssituation in Deutschland. Sie zählten rund 41 Millionen Wohnungen - 500 000 mehr als bisher veranschlagt. Die Mehrheit wohnt zur Miete; 4,4 Prozent der Wohnungen stehen leer. Im Osten ist die Leerstandsquote höher als im Westen, Spitzenreiter ist Sachsen mit 10 Prozent.
Die Datenerhebung für den neuen Zensus hatte im Jahr 2011 begonnen. Im Unterschied zu einer klassischen Volkszählung wurde dafür nur ein Drittel der Bevölkerung befragt - persönlich oder schriftlich. Weitere Daten wurden aus den Melderegistern der Kommunen, dem Register der Arbeitsagentur und anderen Quellen zusammengetragen. Die Europäische Union schreibt vor, dass bestimmte Daten erhoben werden müssen. Die nächste Volkszählung ist deshalb schon fest eingeplant - für das Jahr 2021.