Deutschland sammelt Geld so günstig wie nie ein
Frankfurt/Main (dpa) - Um Deutschland Geld zu leihen, zahlen Anleger sogar drauf. Erstmals verzichteten sie auf Rendite, um dem deutschen Staat kurzfristig Geld zu leihen.
Bei einer Auktion von Geldmarktpapieren mit einer Laufzeit von sechs Monaten platzierte der Bund 3,9 Milliarden Euro zu einem Durchschnittszins von minus 0,01 Prozent, teilte die Deutsche Finanzagentur am Montag mit. Das bedeutet, dass der deutsche Staat für frisches Kapital unter dem Strich nichts zahlen muss, er erhält sogar noch eine Sicherheitsprämie dafür. „In der Form war es das erste Mal“, sagte ein Finanzagentur-Sprecher.
Dass der Bund Geld mittlerweile zu kaum schlagbar günstigen Konditionen einsammeln kann, sei ein klares Bekenntnis von Investoren zum „sicheren Hafen“ deutscher Staatstitel, sagten Händler. Die Papiere waren stark gefragt, denn das Angebot war 1,8-fach überzeichnet worden.
Der Rendite-Rutsch ins Negative hängt nach Darstellung der Finanzagentur mit der Umstellung der Auktionsregeln zusammen, wonach Interessenten nicht mehr die Renditen, sondern Kurse anbieten, zu denen sie kaufen würden. Im Ergebnis könne dies bei Kursen über 100 des Nennwertes des Geldmarktpapiers aufgrund des anhaltend niedrigen Zinsniveaus zu negativen Renditen führen. Der Bund bekommt dann mehr Geld, als er am Ende der Laufzeit zurückzahlen muss. Es kommen nur große Investoren zum Zuge. Sie wollen ihr Geld sicher anlegen und könnten bei einer für sie günstigen Entwicklung die Papiere am Sekundärmarkt noch profitabel losschlagen.
Nach einer verpatzten Anleihenauktion im November 2011 waren zwischenzeitlich Zweifel angekommen, ob die Finanzmärkte dem bisherigen Stabilitätsanker der Euro-Zone weiter vertrauen. Damals war der Bund auf rund einem Drittel seiner angebotenen Papiere sitzengeblieben: Analysten warnten, die Schuldenkrise könnte auf die letzte Stabilitäts-Bastion Kerneuropas übergreifen.
Diese Befürchtungen scheinen inzwischen vom Tisch. Allerdings dokumentiert der Negativzins bei der jüngsten Bund-Auktion auch die verzweifelte Suche nach vergleichsweise unriskanten Investitionen in Zeiten erhöhter Nervosität an den Märkten und ist damit ein Krisenindikator.
Auch die Lage beim Euro bleibt angespannt, wie Händler erklärten. Die europäische Währung war Montagmorgen stark unter Druck geraten und zeitweise auf den tiefsten Stand seit September 2010 gefallen. Der Kurs der europäischen Gemeinschaftswährung sank wegen der anhaltenden Sorgen über die Euro-Schuldenkrise bis auf 1,2666 US-Dollar. Im Tagesverlauf erholte sich der Euro wieder und blieb über 1,27 Dollar.
Die prekäre Lage im Finanzsektor zeigt auch die „Vorsichtskasse“ der Banken bei der Europäischen Zentralbank (EZB), die noch nie so gut gefüllt war. Am Montag stieg sie zum zweiten Mal in Folge auf den höchsten Stand seit der Einführung des Euro im Jahr 1999. Die Einlagen über Nacht lagen bei 463,57 Milliarden Euro, teilte die EZB am Montag in Frankfurt mit. Erst am Freitag hatten sie den bisherigen Rekord von 455,3 Milliarden Euro erreicht.
Nicht nur Deutschland profitiert von dem Notstand an sicheren Anlagen. Auch die Niederlande und die Schweiz sowie zuletzt das kleine Dänemark bekamen bereits von den Finanzmärkten Geld zu negativen Zinsen nachgeworfen.
Am Sekundärmarkt, wo bereits emittierte Anleihen und Geldmarktpapiere gehandelt werden, setzen Anleger ebenfalls auf deutsche Schuldverschreibungen: Die Rendite für richtungsweisende Anleihen mit zehnjähriger Laufzeit lag aktuell bei 1,875 Prozent. Zum Vergleich: Die entsprechende Rendite für Anleihen aus der zweitgrößten Volkswirtschaft im Euroraum, Frankreich, betrug 3,31 Prozent. Für die Euro-Krisenländer Spanien und Italien beliefen sie sich auf 5,51 Prozent beziehungsweise 7,03 Prozent.