Nach der Rettung in Thailand Die Glücklichen 13 - und andere Helden

Mae Sai (dpa) - An Helden, großen und kleinen, mangelt es jetzt nicht. An Thailands Höhlendrama, das die Welt so lange in Atem gehalten hat, haben viele mitgeschrieben. Die Taucher. Die Ärzte. Die Freiwilligen.

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Der Provinz-Gouverneur mit dem gelben Tuch, der blauen Kappe und dem komplizierten Namen.

Vor allem aber: die zwölf Spieler der Fußballjugend aus der Kleinstadt Mae Sai selbst. Und, trotz allem, auch ihr Trainer. Wenn man so will, kann man Pi Ekk („Bruder Ekk“), wie ihn die Leute nennen, jetzt natürlich an allem die Schuld geben. Der 25-Jährige Ekkapol Chantawong war es schließlich, der die überaus leichtsinnige Idee hatte, das Team der „Wildschweine“ nach einem Training mitten in der Regenzeit in die Höhle zu bringen. Dort saß er dann seit dem 23. Juni mit dem Dutzend Kinder von 11 bis 16 Jahren fest.

Möglicherweise muss der frühere Buddhistenmönch deshalb jetzt mit Ermittlungen rechnen. Die Polizei von Mae Sai lässt bislang offen, ob sie gegen ihn vorgehen wird. Vermutlich eher nicht. Die Eltern haben ihm schon verziehen. In einem Brief, der veröffentlicht wurde, als das Drama noch lief, heißt es: „Mach Dir keine Vorwürfe. Niemand von den Eltern ist irgendwie böse auf Dich. Mach Dir keine Sorgen.“

Nach allem, was man weiß, hat sich der Mann, der selbst früh zum Vollwaisen wurde, 17 Tage lang rührend um seine Schützlinge gekümmert. Er überließ ihnen das wenige Essen, mahnte sie, nicht unnötig Energie zu verschwenden, brachte ihnen auch bei, zu meditieren. Und „Bruder Ekk“ harrte aus bis ganz zum Schluss. So gehört sich das wohl, aber man hat auch schon Anderes erlebt.

Wie am Mittwoch bekannt wurde, entwickelten sich die letzten Stunden noch einmal richtig dramatisch. Als das internationale Team von Spezialtauchern schon fast alle nach draußen gebracht hatte, fiel die zentrale Pumpe aus, mit der der Wasserstand in der Höhle unter Kontrolle gehalten werden konnte. Neue Sorgen, großer Alarm. Wer konnte, rannte schnell zum Ausgang. Es ging dann aber doch alles gut.

Jetzt liegen Trainer und Team wieder vereint im Krankenhaus der Provinzhauptstadt Chiang Rai. Drei Jungen haben eine leichte Lungenentzündung. Im Schnitt haben die Kinder zwei Kilo Gewicht verloren. Amtsarzt Thongchai Lertvilairattanapong lobte aber ihren „sehr guten mentalen Zustand“. „Wahrscheinlich, weil sie die ganze Zeit als Team verbrachten, wo einer dem anderen hilft.“

Die Kicker bekommen jetzt Applaus von allen Seiten. Auch viele Experten hatten es nicht für möglich gehalten, Kinder mit wenig Schwimmkenntnissen und ohne jede Taucherfahrung fast vier Kilometer lang durchs Wasser und die Dunkelheit nach draußen zu bringen. Einer der Taucher, der Däne Ivan Karadzic, meint: „Sie haben sich großartig angestellt.“

Das meiste Lob kriegt jedoch Adul Sam-On, der als einziger der Gruppe gut Englisch spricht (und auch noch Thai, Burmesisch und Mandarin). Über ihn lief die Kommunikation mit den ausländischen Rettern. Der 14-Jährige ist - wie der Trainer und zwei Mitspieler - nicht einmal Thai. Er gehört zur Minderheit der Wa, die in Myanmar, auf der anderen Seite der Grenze, verfolgt wird. Einen Pass hat er nicht.

Die Eltern brachten den Staatenlosen vor ein paar Jahren aus Myanmar auf eine Baptistenschule nach Mae Sai. Sie legen größten Wert auf gutes Benehmen. In einer kurzen Notiz, die sie ihrem Sohn in die Höhle bringen ließen, heißt es: „Vergiss nicht: Wenn Du raus kommst, musst du dich bei jedem einzelnen Offizier bedanken.“

An seiner Schule sind auf Adul nun alle sehr stolz. Seine Klassenlehrerin Piyarat Yodsuwan (31) sagt: „Er war immer schon ein sehr hilfsbereiter Junge. Alle lieben ihn.“ Jetzt hofft die ganze Klasse, dass er bald zurückkommt. „Auch, weil die jetzt keinen haben, von dem sie die Hausaufgaben abschreiben können“, sagt die Lehrerin. In Mae Sai können sie wieder lachen.

In der Nacht nach dem Happy End wurde in der 20.000-Einwohner-Stadt überall gefeiert. Manche zogen auch hoch zu einem der buddhistischen Tempel. Die Verwunderung, dass die ganze Welt Anteil am Schicksal ihrer Fußballer nimmt, ist noch einigermaßen groß. Normalerweise interessiert kaum jemanden, wenn in Asien während der Monsun-Monate Menschen sterben. In Nepal und Indien zum Beispiel gab es am Mittwoch bei Unwettern wieder Dutzende Tote.

Aber das Drama um die eingeschlossenen Kinder hat rund um den Globus die Leute bewegt. Und das glückliche Ende ist eine Nachricht, wie sie die Welt in diesen Zeiten vielleicht wieder einmal gebraucht hat. Auch weil so altmodische Tugenden wie Gastfreundschaft, Solidarität und gegenseitige Hilfe zum Tragen kamen. Die „Straits Times“ aus Singapur, eine von Asiens großen Zeitungen, nennt es eine „Lektion der Menschlichkeit“.

Für Thailand, das nach einem der viele Putsche jetzt schon seit vier Jahren wieder einmal vom Militär regiert wird, ist das auch Grund für Stolz. Die Generäle wissen, dass sie davon profitieren können: Im nächsten Frühjahr wird vielleicht endlich gewählt. Der amtierende Premierminister, General Prayut Chan-o-cha, war einer der ersten im Krankenhaus - noch bevor die Eltern zu ihren Söhnen durften.

Inzwischen wird auch darüber spekuliert, dass der Leiter des Einsatzes, Provinzgouverneur Narongsak Osottanakorn, auf die nationale Bühne wechselt. Den Mann, der die letzten Tagen allen immer wieder Mut machte, kennt in Thailand jetzt jeder. „Das war eine "Mission Impossible", und wir haben es geschafft“, sagt er nun. So etwas hilft durchaus, wenn einer Premierminister werden will.

Die größten Helden unter all den Erwachsenen sind jedoch die Taucher - die Soldaten von der thailändischen Marine, aber auch das gute Dutzend Profis aus dem Ausland, das eigens eingeflogen wurden. In Mae Sai hat sich auch gezeigt, was bei internationaler Zusammenarbeit möglich ist. So etwas ist heutzutage nicht mehr selbstverständlich. Manche der Taucher berichten jetzt trotz aller Übermüdung ausführlich über ihre Erfahrungen. Andere ziehen es vor zu schweigen.

Dem Arzt Richard Harris, der immer wieder den gefährlichen Weg zurückgelegt hatte, um die Eingeschlossenen zu untersuchen, ist überhaupt nicht nach Reden zumute. Der Australier mit 30 Jahren Tauch-Erfahrung war am Abend einer der Letzten, die aus der Höhle gingen. Kurz darauf, inmitten des ganzen Jubels, bekam er dann die Nachricht vom Tod seines Vaters. So ist das Leben.