Sondierung findet statt Die Grünen sind bereit zum Hürdenlauf

Berlin (dpa) - Politik hat viel mit Sport zu tun. „Wer kennt denn hier Omar McLeod?“, fragt Katrin Göring-Eckardt in den Saal hinein. Keiner kennt ihn. „Das ist der weltbeste Hürdenläufer“, erklärt die Spitzengrüne.

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„Und wo kommt er her? Aus Jamaika.“

Über die vielen und hohen Hürden auf dem Weg zur schwarz-gelb-grünen Jamaika-Koalition reden die Grünen gerade ununterbrochen. Über den Druck, trotzdem irgendwie ins Ziel zu kommen, auch.

Dass jetzt Gespräche mit CDU, CSU und FDP dran sind, dass man es ernst meinen muss, das ist Konsens auf diesem kleinen Parteitag in Berlin. „Der Wähler hat uns dieses Auftrag geben“, sagt Fraktionschef Anton Hofreiter, einer der führenden Parteilinken, deren Vorbehalte besonders groß sind. Ein Delegierter, der auch Rot-Rot-Gelb-Grün ausloten will, bekommt nicht mal vereinzelt Applaus.

Die Abstimmung über den Antrag, Jamaika zu sondieren mit einem 14-köpfigen Team, ist eine Formalität. Drei Enthaltungen, keine Gegenstimme. Die Ökopartei will sich trotzdem aussprechen, bevor es los geht. Reden ist den Grünen immer wichtig, und gerade ganz besonders. Denn wie groß die Kompromisse sein dürfen, die Jamaika unweigerlich fordern wird, das ist umstritten.

Dass es in ein paar Wochen spannender wird, wenn ein Bundesparteitag über die Aufnahme echter Koalitionsverhandlungen entscheidet, ist jetzt schon klar. „Führt uns nicht um jeden Preis in eine Regierung. Denn dann werden viele von uns euch nicht folgen“, warnt die Berliner Delegierte Rhea Niggemann. Vor der Tür demonstrieren Kohle- und Freihandels-Kritiker. „Nicht vergessen“, mahnen sie mit Blick auf grüne Positionen.

Drinnen ist die Stimmung gedämpft. Dabei sind die Grünen erleichtert über ihr Wahlergebnis, die Umfragen sahen schlechter aus. Trotzdem: Nicht zweistellig, nicht dritte Kraft im Parlament, sondern schwächste. Ziel verfehlt.

Der grüne Hoffnungsträger Robert Habeck aus Schleswig-Holstein überrascht denn auch mit einer Entschuldigung. Bei denen, die vor vier Jahren wegen 8,4 Prozent parteiintern geteert und gefedert wurden, vor allem bei Jürgen Trittin. „Jetzt sind wir hier bei 8,9 Prozent, nicht wirklich ein anderes Ergebnis“, sagt Habeck. „Politik ist ein scheiß undankbares Geschäft und es tut mir Leid, dass wir damals so hart mit euch umgegangen sind.“

Habeck, der im Norden als Landesminister seit rund 100 Tagen Jamaika macht, mahnt: Die Grünen müssten stets bereit sein, vom Verhandlungstisch aufzustehen. Zum Erfolg verdammt, weil die SPD keine große Koalition mehr will? „Sind wir nicht.“ Habeck warnt auf vor dem Hype um Jamaika. „Strategisch kann uns das einengen.“

Nur nicht zu eifrig wirken, ist das Motto. Außer vielleicht bei Winfried Kretschmann, der deutlich wie sonst keiner auf die „riesige Verantwortung“ der Grünen hinweist. Parteifreunden, denen die „Fantasie“ für Jamaika fehlt, legt der baden-württembergische Regierungschef einer grün-schwarzen Koalition Opernbesuche ans Herz. Da werde aus altem Stoff immer wieder etwas Neues gemacht. Seine 21. Zauberflöte sei „völlig anders“ gewesen als die 20 davor.

Was die Grünen-Spitze auf jeden Fall vermeiden will, ist der Eindruck von Mauschelei im Hinterzimmer. Das nähme die eigene Partei ihr sehr übel. Entsprechend groß war die Aufregung über das Gerücht, dass über Zeitplan und Ministerposten schon gesprochen werde. „Alles, was da gemacht wird, das entscheiden wir zusammen. Und es gibt da keine Parallelverhandlungen“, versichert Parteichef Cem Özdemir. Man könnte es so übersetzen: Keine Sorge, wir Realos booten die Parteilinke nicht aus. Hofreiter, Jürgen Trittin, Simone Peter, die sind an Bord.