Die sanfte Macht? Deutschland international vor neuen Ansprüchen

Berlin/Paris (dpa) - Man kennt das nach acht Jahren mit Angela Merkel als Bundeskanzlerin nun schon: Regierungserklärung im Bundestag, wieder einmal zu Europa.

Dann zum „Antrittsbesuch“ ihrer nunmehr dritten Amtszeit zu Frankreichs Präsidenten François Hollande nach Paris - so wie das zwischen den beiden wichtigsten europäischen Partnern üblich ist.

Mit dabei: Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD), der das unter Merkel auch schon einmal war. Im prunkvollen Élysée-Palast dann ein betont freundschaftlicher Empfang durch Hollande. Das Verhältnis von Sozialist und Konservativer galt lange Zeit als schwierig. Bei zwei kurzen Statements nun: viel Freundlichkeiten, Lächeln, Augenzwinkern. Merkel wünscht beiden „gute Zusammenarbeit“.

Am ersten richtigen Arbeitstag der neuen großen Koalition sieht es stark danach aus, als ob in der Außenpolitik vieles beim Alten bleibt. Doch der Eindruck täuscht. Experten sind sich sicher, dass auf die schwarz-rote Bundesregierung in den nächsten vier Jahren neue Herausforderungen zukommen, und zwar über Europa hinaus. International wird Deutschland wohl eine wichtigere Rolle übernehmen.

Das britische Monatsmagazin „Monocle“ kürte die Bundesrepublik soeben zur weltweit wichtigsten „Soft Power“ für 2014. Deutschland - die sanfte Macht? Ein Staat mit Einfluss durch eigene Erfolge, kluge Diplomatie und einiges an Geld? Und nicht durch Drohungen oder den Einsatz von Soldaten? Vielen in Berlin gefällt das Kompliment - zumal noch gut in Erinnerung ist, wie durch die Eurokrise manch altes Vorurteil gegen Deutschland wieder hochkam.

Der Dekan der Hertie School of Governance - eine der Denkfabriken in Berlin -, Helmut Anheier, hält die „Soft Power“-Auszeichnung allerdings für vergiftetes Lob: „Das ist in den Augen unserer westlichen Partner nur freundliche Umschreibung dafür, dass wir uns sicherheitspolitisch als Trittbrettfahrer und wirtschaftspolitisch als Rosinenpicker verhalten. Unsere Soft Power kann nur leuchten, weil andere die dreckige Arbeit machen.“

Tatsächlich war es bislang so, dass Deutschland bei Konflikten gern in der zweiten Reihe blieb - wie in Libyen oder Syrien. An der „Kultur der militärischen Zurückhaltung“ wollen Merkel, Steinmeier und die neue Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen nichts ändern - zumal die Erfolgsaussichten von Waffengängen inzwischen auch anderswo skeptischer beurteilt werden.

Nur: Wenn auch die anderen zögerlicher werden, wachsen die Ansprüche an Deutschland. Frankreich fordert bereits mehr Geld für seine Militärmissionen in Afrika. Der Direktor der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Eberhard Sandschneider, prophezeit: „Deutschlands wirtschaftliche Stärke bringt es mit sich, dass unser Einfluss zunimmt. Unsere Partner erwarten einen größeren Beitrag zur Lösung internationaler Probleme.“

Das Geld allein ist es aber nicht. Unabhängig davon wird in vielen Bereichen darauf gewartet, wie sich die deutsche Außenpolitik positioniert: Für die EU stehen Grundsatz-Entscheidungen an, bei denen von Merkel konkrete Vorschläge erwartet werden. Besonders unter Beobachtung steht die Bundesregierung auch, was das Verhältnis zu den USA angeht. Angesichts der Abhöraffäre um Merkels Handy wird anderswo sehr genau darauf geachtet, was Berlin gegenüber Washington durchsetzen kann.

Auch bei der Machtprobe in der Ukraine hat Deutschlands Wort besonderes Gewicht. Oppositionsführer Vitali Klitschko hat sogar vorgeschlagen, Steinmeier zum Vermittler zu machen. Viele in Europa erhoffen sich aus Berlin eine Ukraine-Strategie - am besten gleich mit Verhaltensratschlägen für den rechten Umgang mit Russland dazu.

Hier kommt es entscheidend darauf an, dass die Zusammenarbeit zwischen Merkel und ihrem Außenminister funktioniert. Steinmeier gilt in der deutschen Politik als derjenige, der noch am besten mit Kreml-Chef Wladimir Putin auskommt. So wie sich die Beziehungen zwischen Berlin und Moskau in letzter Zeit verschlechtert haben, kann das von Nutzen sein. Sandschneider ist zuversichtlich: „Steinmeiers Erfahrung dürfte helfen, die Spannungen abzubauen.“

Verkompliziert wird die Sache allerdings dadurch, dass in der neuen „GroKo“ die internen Machtverhältnisse noch geklärt werden müssen. In der Außenpolitik redet neben Merkel nun noch eine weitere Powerfrau mit: die neue Verteidigungsministerin von der Leyen, die selbst aufs Auswärtige Amt spekuliert hatte. Deshalb rechnen viele damit, dass der erste Konflikt nicht lange auf sich warten lässt.