dpa-Gespräch: Forscher Möller für britisches Modell
Nürnberg (dpa) - In der von der CDU ausgelösten neuen Debatte um einen Mindestlohn hat sich der führende deutsche Arbeitsmarktforscher Joachim Möller für die Einführung des britischen Modells ausgesprochen.
„Kernpunkt dieses Modells ist eine Kommission, die sich aus Vertretern der beiden Tarifparteien und Wissenschaftlern zusammensetzt“, erläuterte der Leiter des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einem Expertengespräch mit der Nachrichtenagentur dpa. Diese lege politisch unabhängig die Höhe des Mindestlohns fest. Das IAB ist die Denkfabrik der Bundesagentur für Arbeit.
Dass die Mindestlohn-Standards politisch unabhängig festgesetzt würden, hält Möller für einen wichtigen Erfolgsfaktor des britischen Modells. Bisher gebe es keine Hinweise darauf, dass Arbeitgeber versucht hätten, die branchenübergreifende Mindestlohnregelung zu unterlaufen, sagte der Arbeitsmarktforscher. „Der von der Kommission vereinbarte Mindestlohn gilt als eine Art Fairness-Standard. Ein Unterlaufen würde als Fairness-Verstoß betrachtet - und das wäre für die Firma mit einem Verlust an Reputation verbunden“, erläuterte Möller.
In Deutschland gibt es bislang nur Mindestlohnregelungen für einzelne Branchen. Der Gesetzgeber hat die Möglichkeit, diese verbindlich für alle Beschäftigten einer Branche festzusetzen. Dies geschieht allerdings unter Beteiligung der Tarifparteien. Dazu müssen sich Arbeitgeber und Gewerkschaften auf einen Mindestlohn verständigen und sich auch noch einig sein, dass diese Lohnuntergrenze über die tarifgebundenen Betriebe hinaus auch für die gesamte Branche gelten soll. Dann kann das Bundesarbeitsministerium diesen Mindestlohn auf den ganzen Wirtschaftszweig „erstrecken“.
Möller hält eine branchenübergreifende Mindestlohnregelung für unverzichtbar. Es gebe noch zu viele Branchen, in denen die Tarifabdeckung zu lückenhaft sei und Stundenlöhne von gerade mal fünf bis sechs Euro gezahlt würden. Als Beispiel nannte er Callcenter; aber auch für Haushaltshilfen seien Mindestlohnregelungen überfällig. Als Grundlage sollte der für Zeitarbeitskräfte vereinbarte Mindestlohn von 7,79 Euro im Westen und 6,89 Euro im Osten genommen werden, schlug Möller vor.
Der Arbeitsmarktforscher widersprach der Einschätzung, mit einem Mindestlohn würden Arbeitsplätze gefährdet. Er sei vielmehr überzeugt, dass bei der Zahlung fairer, den Unternehmen zumutbarer Löhne offene Stellen schneller besetzt werden könnten. Schließlich würden damit Jobs interessant, die vorher nur schwer zu besetzen gewesen seien.