dpa-Interview: Bergbau-Gewerkschaft beklagt Sicherheitsmängel
Hannover (dpa) - Die Sicherheitstechnik in türkischen Bergwerken ist nach Ansicht der deutschen Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) nicht auf dem heutigen Stand. In der Türkei gelte das Motto: „Produktivität vor Sicherheit“, sagt der Abteilungsleiter Bergbau, Ralf Bartels.
Frage: Wie beurteilen Sie die Sicherheitsvorkehrungen in türkischen Bergwerken?
Antwort: Die Rahmenbedingungen in der Türkei sind etwa so wie in Deutschland vor 40 oder 50 Jahren.
Frage: Inwiefern?
Antwort: In der Türkei herrscht die Einstellung, dass tödliche Unfälle zum Bergbau gehören. Es gibt zwar moderne Fördertechnik. Aber es fehlt an sicherer Sprengtechnik. Und es fehlt an sicherer Technik, um Unfälle durch Methangas zu verhindern.
Frage: Können Sie das präzisieren?
Antwort: Methan riecht man nicht. Aber der kleinste Funke reicht aus für eine Explosion. Solche Methan-Explosionen mit Dutzenden Toten hat es in den vergangenen Jahren in türkischen Bergwerken immer wieder gegeben. Die jetzige Katastrophe ist das jüngste Glied in einer langen Kette schrecklicher Grubenunfälle. Dabei hat es immer wieder Verstöße gegen Sicherheitsbestimmungen gegeben.
Frage: Welche Gründe sehen Sie für solche Verstöße?
Antwort: Kollegen von mir waren kürzlich bei einem Sicherheitstreffen in der Türkei. Sie haben mir berichtet, dass Gewerkschafter, die auf Sicherheitsmängel in Bergwerken hingewiesen haben, als Zeitvergeuder ausgelacht wurden. Dahinter steckt die Idee: Mach mehr Kohle, sei produktiver, indem du dich nicht an die Sicherheitsbestimmungen hältst.
Frage: Wie steht es um die Sicherheit deutscher Bergwerke?
Antwort: Hier hat in den vergangenen Jahrzehnten ein Umdenken zugunsten der Sicherheit stattgefunden. Wir hatten in Deutschland schon lange keine vergleichbaren Grubenunglücke mehr. Und in den verbliebenen Bergwerken kann man sehen: Die Produktivität ist gestiegen, während gleichzeitig die Unfallzahlen gesunken sind.
ZUR PERSON: Ralf Bartels (56) leitet bei der Gewerkschaft Bergbau, Energie, Chemie das Ressort „Bergbau und Energiepolitik“. Gleichzeitig steht er der Abteilung „Energiewende, Nachhaltigkeit“ vor.