Erdogan: Anti-Terror-Kampf „bis in alle Ewigkeit“
Istanbul (dpa) - Eigentlich ist der Fastenmonat Ramadan für Muslime eine Zeit der Einkehr und der Besinnung, bei vielen Gläubigen ist sie auch mit der Hoffnung auf Frieden verbunden. Dass Terroristen auf diese Hoffnung nichts geben, dafür treten sie schon am zweiten Tag des Fastenmonats den blutigen Beweis an:
Wieder wird die Altstadt der türkischen Metropole Istanbul, die sich für die festliche Zeit herausgeputzt hat, zum Anschlagsziel. Mitten im Berufsverkehr am Dienstagmorgen detoniert eine Autobombe.
Ziel des Anschlags ist ein Bus, der Polizisten zum Dienst bringen soll. Die meisten der Toten sind Angehörige der Sicherheitskräfte gewesen, aber auch Zivilisten kommen ums Leben. Dutzende Menschen werden bei der Explosion der ferngezündeten Bombe verletzt. Fotos zeigen das Ausmaß der Zerstörung: Der Bus wird von der Wucht der Detonation auf die Seite gekippt und völlig zerstört.
Auf einer Straßenseite befindet sich das Celal-Aga-Hotel, eine Fünf-Sterne-Unterkunft - die glücklicherweise seit einiger Zeit leer steht, sonst wäre die Zahl der Opfer womöglich noch höher ausgefallen. Jedes einzelne Fenster an der Hotelfassade wird von der Druckwelle der Explosion zerschmettert.
Der Anschlag trifft das Viertel Vezneciler, dort steigen auch Touristen ab. Der Große Basar, eine der bekanntesten Attraktionen Istanbuls, ist zu Fuß zu erreichen. Nur rund eineinhalb Kilometer Luftlinie sind es zur Blauen Moschee, vor der im Januar ein Selbstmordattentäter zwölf deutsche Touristen mit in den Tod riss. Diesmal werden nach ersten Informationen keine Ausländer getroffen.
Die Nachrichtenagentur DHA meldet nach wenigen Stunden, für den Anschlag sei ein Mietwagen zur Bombe umgebaut worden. Im Zusammenhang mit der Anmietung seien vier Verdächtige festgenommen worden.
Offen bleibt aber zunächst, wer hinter der Tat steckt. Bezeichnend für die Sicherheitslage in türkischen Metropolen ist, wie viele Terrorgruppen für den Anschlag in Frage kommen könnten. War es wieder die Terrormiliz Islamischer Staat (IS), die von der türkischen Regierung für den Anschlag auf die Deutschen im Januar - und für einen Anschlag auf Touristen in Istanbul im März - verantwortlich gemacht wird?
Oder war es vielleicht die TAK, eine Splittergruppe der verbotenen kurdischen Arbeiterpartei PKK, die regelmäßig Sicherheitskräfte angreift? Die TAK hat sich seit Jahresbeginn zu zwei Anschlägen in Ankara und zu einem in der westtürkischen Stadt Bursa bekannt, jeweils mit mehreren Tagen Verspätung. Theoretisch könnte es auch die linksterroristische DHKP-C gewesen sein. Allerdings geht diese Gruppe in der Regel so dilettantisch vor, dass ihre Angriffe weniger Schaden als die Autobombe von Istanbul anrichten.
Das Auswärtige Amt reagiert auf den jüngsten Anschlag, indem es Reisenden in Istanbul „zu erhöhter Vorsicht“ rät. Viele Reisende aus Deutschland und aus anderen Staaten ziehen es inzwischen allerdings vor, die Türkei ganz zu meiden. Der Tourismus ist eingebrochen, seit die Anschläge so dramatisch zugenommen haben und seit im Südosten des Landes der blutige Konflikt mit der PKK wieder aufgeflammt ist.
Für April vermeldete das Tourismusministerium kürzlich einen Besucherrückgang für die Türkei von 28 Prozent verglichen mit dem Vorjahresmonat. Die Deutschen stellen zwar immer noch die größte Gruppe, allerdings hat ihre Zahl überdurchschnittlich abgenommen: Ein Minus von mehr als 35 Prozent verzeichnet die Statistik. Nicht nur Terrorangst hat die wichtige Tourismusindustrie in die Krise gestürzt. Wegen der politischen Spannungen mit Moskau ist die Zahl der Besucher aus Russland um sagenhafte 79 Prozent eingebrochen.
Wenig ermutigend dürften auf potenzielle Türkei-Urlauber die Worte von Präsident Recep Tayyip Erdogan wirken. Erdogan warnt nach dem Anschlag von Istanbul: „Wir müssen von Terroristen immer und überall Derartiges erwarten und dementsprechend vorbereitet sein.“ Den Verantwortlichen des Anschlags im Ramadan sei „nichts heilig“.
Nach einem Besuch bei Verletzten im Krankenhaus ist der Präsident sichtlich betroffen. Von der Wut der vergangenen Tage, die sich vor allem gegen Deutschland und die Völkermordresolution des Bundestags gerichtet hat, ist nichts zu spüren. Stattdessen schwört Erdogan die Türken auf einen schier endlosen Kampf gegen den Terrorismus ein. Dieser Kampf, so sagt er, „wird bis in alle Ewigkeit weitergehen“.