Euro-Krise: Seehofer droht Merkel und erntet Kritik
Berlin/Rom (dpa) - Die mögliche Aufweichung der deutschen Politik gegenüber verschuldeten Euro-Staaten sorgt für Misstöne in der schwarz-gelben Koalition. Nach harscher Kritik von Opposition und FDP sah sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer zu einer Klarstellung gezwungen.
Er habe das Wort Koalitionsbruch nie in den Mund genommen, und er habe auch nicht die Absicht, dies zu tun, sagte Seehofer am Rande einer CSU-Fraktionssitzung in München.
Seehofer hatte am Vortag in einem Interview des Magazins „Stern“ zur Euro-Krise gesagt, die CSU könne in der Zukunft weitere Hilfszusagen an Schuldenstaaten ohne Auflagen nicht mittragen. Ohne CSU habe die Koalition keine Mehrheit. Das war in CSU, FDP und Medien als Drohung verstanden worden. Seehofer sprach sich zudem gegen einen „europäischen Monsterstaat“ und für ein Europa der Regionen aus.
Außenminister Guido Westerwelle (FDP) entgegnete in der „Südwest Presse“: „Das unbedachte Wort vom europäischen Monsterstaat beschädigt das große Projekt eines Europa der Heimatländer als politischer Union.“ Europa sei „kein Monster, sondern unsere Zukunft und unsere Wohlstandsversicherung“. Die stellvertretende FDP-Vorsitzende Birgit Homburger sagte der „Passauer Neuen Presse“: „Die Halbwertszeiten von Horst Seehofers Temperamentsausbrüchen werden immer kürzer“.
Die SPD warf Seehofer vor, eine verantwortungsvolle Lösung der Euro-Krise zu torpedieren. „Herr Seehofer droht bei jeder Gelegenheit mit dem Koalitionsbruch“, sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles der Nachrichtenagentur dpa. Erst bestehe er auf dem Betreuungsgeld und verhindere so, dass rund 1,2 Milliarden Euro in den Krippenausbau fließen. „Jetzt versucht er, auf die gleiche Art und Weise eine vernünftige Politik für die Eurozone zu torpedieren.“ Wie lange wolle sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch erpressen lassen, so Nahles.
Die Nachbereitung des Brüsseler EU-Gipfels steht im Mittelpunkt der deutsch-italienischen Regierungskonsultationen an diesem Mittwoch in Rom zwischen Merkel und Italiens Regierungschef Mario Monti sowie zahlreichen Ministern. Umstritten sind die Zusagen, die Merkel auf Druck Italiens und Spaniens beim EU-Gipfel in Brüssel gemacht hat.
So könnte der gerade erst von Bundestag und Bundesrat beschlossene Euro-Rettungsschirm ESM aufgeweicht werden. Wenn es eine europäische Bankenaufsicht gibt, könnten auch kriselnde Banken darüber mit Milliardenhilfen versorgt werden. Zudem könnte es für Länder wie Italien geringere Auflagen bei nötigen Finanzspritzen geben. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) verteidigte die Beschlüsse des EU-Gipfels. „Das, was wir verabredet haben, das können wir verantworten“, sagte er am Mittwoch im Südwestrundfunk (SWR).
Die umstrittene Ausweitung des ESM auf Banken ist nach Ansicht des CDU-Europapolitikers Gunther Krichbaum noch lange nicht in trockenen Tüchern. „Die Umsetzung der Brüsseler Gipfelbeschlüsse werden sich noch als sehr, sehr schwierig herausstellen“, sagte der Vorsitzende des Europaausschusses im Bundestag der dpa. Großbritannien werden wegen seines Finanzplatzes London wohl kaum mitmachen bei einer EU-Bankenaufsicht, die Voraussetzung für direkte Bankenhilfen wäre. Auch in Finnland und den Niederlanden gibt es erhebliche Widerstände, diese richten sich vor allem gegen den Kauf von Staatsanleihen verschuldeter Euro-Staaten durch den neuen ESM.
Vor den Regierungskonsultationen betonte Monti die Gemeinsamkeiten der italienischen und deutschen Spar- und Wachstumspolitik. Beide Länder beschritten dieselben Wege, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Nach dem EU-Gipfel in Brüssel hätte die Presse besser schreiben sollen: „Angela plus Mario ist gleich ein Schritt nach vorne für die europäische Wirtschaftspolitik“, sagte Monti.
„Was nach außen so schien wie der Einsatz des Vetorechts und was für Diskussionen gesorgt hat, war keine Revolution, sondern vielmehr eine klassische Verhandlungsmethode“, betonte er. Italien sei stets für mehr Wachstum eingetreten, aber nicht „auf Kosten der Haushaltsdisziplin“. Monti hatte beim EU-Gipfel ohne Zugeständnisse an Krisenländer mit einer Ablehnung des 120 Milliarden Euro umfassenden Wachstumspakts gedroht. Diesen wiederum brauchte Merkel, um im Bundestag die Zustimmung von SPD und Grünen zu ESM und zu dem europäischen Fiskalpakt für mehr Spardisziplin zu bekommen.