Fragen und Antworten Euro-Siegel für die deutsche Maut
Brüssel (dpa) - Ausgerechnet Brüssel. Als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt in der EU-Kommission neben seiner Widersacherin Violeta Bulc steht, ist ihm die Zufriedenheit anzusehen.
An der Seite der EU-Verkehrskommissarin und mit Europaflaggen im Hintergrund kann er verkünden, dass er grünes Licht für ein Vorhaben bekommt, das Kritiker nicht zuletzt als anti-europäisch geißeln: die Pkw-Maut, Prestigeprojekt seiner CSU, geboren als Wahlkampfhit für bayerische Bierzelte. Nach Monaten harter Konfrontation sind Berlin und Brüssel auf Harmoniekurs eingeschwenkt. Trotzdem bleibt einiges ungewiss - Maut-Start inklusive.
Worum ging es Dobrindt in Brüssel?
Dass es mit der „Infrastrukturabgabe“ - so heißt die Maut offiziell - überhaupt noch vorangeht, war schon vor vier Wochen eine ziemliche Überraschung. Pünktlich zum CSU-Parteitag verbreiteten Berlin und Brüssel Optimismus: Einigung in Sicht. Dabei hatte die EU-Kommission zuvor verkündet, Deutschland in Sachen Maut zu verklagen - und Dobrindt beharrte ungerührt auf seinem Modell, das doch völlig rechtmäßig sei. Dann kam Bewegung in die starren Fronten, auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schaltete sich ein. Am Donnerstag machte Dobrindt mit der zuständigen Kommissarin Bulc den Sack zu - oder, wie er es formuliert: Unterschiedliche Einschätzungen wurden „im Rahmen eines Aufeinanderzugehens“ gelöst.
Was sieht der Kompromiss vor?
Für den Segen der EU willigt Dobrindt nun doch ein, „seine“ Maut an zwei Stellen zu ändern. Da sind die Kurzzeittarife für Fahrer aus dem Ausland, die Brüssel tendenziell zu teuer sind. Die Preise sollen nun stärker gespreizt werden. Demnach ist die günstigste Zehn-Tages-Maut schon für 2,50 statt 5 Euro zu haben - die teuerste soll aber auch 20 statt 15 Euro kosten. Zum zweiten bessert Dobrindt beim sensibelsten Punkt nach: Dass nur Inländer für die Maut centgenau weniger Kfz-Steuer zahlen sollen, ist aus EU-Sicht eine Benachteiligung von Ausländern. Sind die Mautgebühren und die Entlastung über die Kfz-Steuer jedoch nicht mehr 1:1 aneinander gekoppelt, sieht Brüssel da keine Probleme. Besitzer sehr sauberer Euro-6-Autos sollen deswegen nun sogar etwas mehr Steuer-Entlastung bekommen, als sie Maut zahlen. Insgesamt geht es um 100 Millionen Euro mehr im Jahr.
Wie geht es weiter?
Die Brüsseler Behörde friert ihr Verfahren wegen Verletzung von EU-Recht gegen Berlin nun erst einmal ein. Praktischerweise wurde die Ende September angekündigte Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) bisher noch nicht eingereicht. Bis das Verfahren komplett eingestellt wird, dürfte es dann noch länger dauern. Denn erst müssten die schon geltenden Maut-Regelungen rechtlich bindend wieder geändert werden. Und dafür wären nach dem jetzigen Endspiel in Brüssel neue Verhandlungen in der großen Koalition in Berlin nötig. Erst dann würde die EU-Kommission ihr Verfahren offiziell einstellen.
Ist der Weg für die Maut also frei?
Nun sei klar, „dass die Pkw-Maut kommt“, sagt Dobrindt. Wann, wie und ob, bleibt vorerst in der Schwebe. „Eine Verständigung mit Brüssel heißt nicht, dass die veränderte Pkw-Maut morgen im Gesetzblatt steht“, sagt SPD-Fraktionsvize Sören Bartol. „Unsere Messlatte ist, dass es keine zusätzlichen Belastungen für deutsche Autofahrer geben darf.“ Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat schon gewarnt, eine zusätzliche Abgabe dürfe im Saldo im Etat nicht weniger Einnahmen produzieren.
Wie reagieren Nachbarländer wie Österreich oder die Niederlande?
Die wollen den Gang der Dinge genau beobachten. „Es ist alles möglich“, sagte der Wiener Verkehrsminister Jörg Leichtfried prompt mit Blick auf eine mögliche eigene Klage. Die Einigung zwischen Berlin und Brüssel bezeichnete er als „faulen Kompromiss“. Autofahrer werden die Maut ohnehin nicht so bald spüren: Dobrindt hat bereits klargemacht, dass ein Start wegen der nötigen Vorbereitungen nicht mehr vor der Bundestagswahl im Herbst 2017 realistisch ist.