Gierbanker oder Opfer? Ex-HRE-Chef Funke fühlt sich unschuldig

München (dpa) - Zum Prozessauftakt will Georg Funke nichts sagen. Schmallippig sitzt der Ex-Banker auf der Anklagebank des ebenso kargen wie beengten Sitzungssaals B 275 des Münchner Strafjustizzentrums.

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Die Weltfinanzkrise Ende vergangenen Jahrzehnts haben viele Bürger angesichts neuer Bedrohungen und Ängste schon fast wieder vergessen. Doch mit mehrjähriger Verzögerung wollen die Vorsitzende Richterin Petra Wittmann und die fünfte Große Strafkammer des Landgerichts München I Licht in das Dunkel um den teuersten Schadenfall in Deutschland bringen: den nur mit milliardenschwerer Staatshilfe abgewendeten Zusammenbruch der Immobilienbank HRE.

Ex-Vorstandschef Funke wurde Anfang 2009 für viele Bürger zur Symbolfigur des Gierbankers: Denn der heute 61-Jährige klagte nach seinem Sturz vor Gericht auf Gehalts- und Pensionszahlungen in Millionenhöhe. Dass er sich später als Immobilienmakler nach Mallorca zurückzog, taugte ebenfalls nicht zur Aufbesserung des Rufs.

Geht es nach Funke, waren zwei Faktoren beim HRE-Desaster hauptverantwortlich: Der Zusammenbruch der US-Investmentbank Lehman Brothers und der damalige Bundesfinanzminister und spätere SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück. Die Lehman-Pleite im September 2008 brachte die wechselseitige Kreditvergabe der Banken zum Erliegen, der HRE ging schlicht das Geld aus. Und Steinbrück soll die Bank dann endgültig in den Abgrund geredet haben.

„Ganz entscheidend war am Ende der Herr Steinbrück mit seiner sehr unbedachten Bemerkung, die Bank müsse abgewickelt werden“, sagt an Funkes Stelle Verteidiger Wolfgang Kreuzer vor Eröffnung der Verhandlung. Der Ex-Bankier selbst will sich erst am zweiten Verhandlungstag diesen Dienstag ausführlich äußern.

Ob das Gericht dieser Argumentation folgt, bleibt abzuwarten. Steinbrück ist jedenfalls nicht als Zeuge geladen. Das Gericht wird sich keine Gedanken darüber machen, ob das Unglück vermeidbar gewesen wäre. Hypothetische Problemlösungen sind im Strafrecht nicht vorgesehen. „Hätte, hätte, Fahrradkette“, lautet passend dazu ein bekanntes Steinbrück-Diktum.

Die Staatsanwaltschaft will auf etwas Anderes hinaus: Wie laut Anklage aus zahlreichen Protokollen des HRE-Vorstands und anderer Bankgremien hervorgeht, waren sich Funke und Kollegen schon sehr früh darüber im Klaren, in welch bedrängter Lage sie waren. So empfahl die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG den Bankern im März 2008 wegen absehbaren Geldmangels einen „Liquiditäts-Katastrophenplan“, auch im Vorstand gab es mehrfach Diskussionen über die kritische Lage.

Doch im HRE-Geschäftsbericht 2007 und im Halbjahresbericht 2008 fand sich davon nur wenig, die Liquiditätslage wurde als „stabil“ dargestellt. Funke und dem mitangeklagten Finanzchef Markus Fell wird deswegen die Verschleierung der wahren Lage vorgeworfen, mögliche Höchststrafe drei Jahre. Fell ist darüber hinaus wegen Verdachts der Marktmanipulation angeklagt - er hatte noch Ende September 2008 auf einem Investorentag um Kapitalanleger geworben, obwohl die Vorbereitungen für ein erstes Rettungspaket mit staatlicher Hilfe bereits liefen.

Der HRE-Prozess ist der späte Schlusspunkt einer langen Reihe von Strafprozessen gegen Banker nach der Finanzkrise, von denen die meisten im Sande verliefen. Die Beweisführung ist schwierig. Für eine Verurteilung reicht es nicht, Mitglied eines Vorstands gewesen zu sein, der eine Bank in den Ruin wirtschaftete. Die Staatsanwaltschaft muss beweisen, dass ein Angeklagter aktiv beteiligt war - und darüber hinaus in voller Absicht handelte. „Es muss individuell nachgewiesen werden, dass der Einzelne darüber Bescheid wusste“, erläutert Gerichtssprecherin Andrea Titz am Rande des Prozesses die Rechtslage.