Experte: Italien-Wahl ist Votum „gegen einen stabilen Euro“

Berlin/Freiburg (dpa) - Nach den Parlamentswahlen in Italien hat ein Experte die Hoffnung auf ein Ende der Euro-Schuldenkrise als Illusion bezeichnet. „Die Euro-Krise war nie vorbei“, sagte Prof. Lüder Gerken im Interview mit dem Informationsdienst dpa Insight EU.

Gerate Italien vollends ins Schlingern, werde die Europäische Zentralbank in unbegrenzter Höhe italienische Staatsanleihen kaufen. Dies werde langfristig fatale Folgen haben, warnte er. „Denn bei einer Insolvenz Italiens müsste sie die italienischen Staatsanleihen abschreiben. Das würde die EZB selbst ins Wanken bringen.“ Gerken ist Direktor des Centrums für Europäische Politik (CEP) in Freiburg, einer „Denkfabrik“ zur Analyse europäischer Politik.

Gerken erinnerte daran, dass Italien bisher mit rund 18 Prozent für den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM haftet. Sollte das Land dies nicht mehr schaffen, dann stiegen automatisch die Haftungsrisiken für die übrigen Staaten. „Und dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Märkte die bange Frage stellen, ob Deutschland noch solch riesige Lasten tragen kann - eine Herabstufung der Kreditwürdigkeit Deutschlands wäre dann zu befürchten.“ Die Bundesregierung müsse sich fragen, ob der bisherige Kurs der Eurorettung noch weiter durchzuhalten sei.

Der Experte warnte, die italienischen Wähler hätten sich gegen mögliche Krisenrezepte und Reformen - Deregulierung des Arbeitsmarktes, Senkung der Staatsausgaben, Zurückfahren der Kreditaufnahme - ausgesprochen. „Mit diesem Wahlergebnis brechen die fundamentalen Unterschiede in der Wirtschafts- und Stabilitätskultur zwischen Nord- und Südeuropa auf. Die Folgen sind noch gar nicht absehbar.“ Gerken betonte, nur mit Reformen könnten die Krisenstaaten ihre Wettbewerbsfähigkeit verbessern. „Verweigert man sich Reformen, legt man die Axt am Euro selbst an.“