Triumphzug ins Parlament: Grillo mischt die Politik auf
Rom (dpa) - Schimpftiraden auf die politischen Gegner, mehr populistische Parolen als Konzepte gegen die Krise: Bei vielen Italienern ist die Wut auf das politische System so groß, dass sie der Protestbewegung „Fünf Sterne“ ihre Stimme gegeben haben.
Mit ihrem Anführer Beppe Grillo hat sie bei der Parlamentswahl auf Anhieb einen Sensationserfolg geschafft und ist in beiden Kammern drittstärkste Kraft hinter den Mitte-Links- und Mitte-Rechts- Mehrparteienbündnissen um Pier Luigi Bersani und Silvio Berlusconi. Das lässt nicht nur die Sorgenfalten bei den etablierten Politikern wachsen, sondern erschwert auch die Regierungsbildung und schürt die Angst vor einer Blockade.
Grillo, der 64 Jahre alte Komiker aus dem norditalienischen Genua, ist der große Sieger der Wahlen. Seine junge Bewegung hat das politische System des Landes ordentlich durcheinandergewirbelt. Der Erfolg der „Fünf Sterne“ zeigt auch, wie enttäuscht die Italiener von der Politik sind. Mit der Wut auf die etablierten Parteien hat Grillo hunderttausende Wähler mobilisiert. Er vereint die Stimmen der Unzufriedenen und Politikverdrossenen - und davon gibt es in Italien eine Menge. Viele haben jedes Vertrauen in die Politik verloren und sehen das Parlament als „Selbstbedienungsladen“.
Wie das Verhalten der „Grillinis“, wie sich seine Anhänger nennen, im Parlament aussehen wird, ist ebenso unklar wie ihre politische Richtung. Die Bewegung lässt sich keinem politischen Lager zuordnen. Anführer Grillo darf selbst gar nicht im Parlament sitzen, da er nach einem Autounfall wegen fahrlässiger Tötung vorbestraft ist.
Die Bewegung ist eine unberechenbare Kraft im neuen Parlament. Am Dienstag kündigte Grillo an, eine mögliche große Koalition von Linken und Rechten behindern zu wollen. Vor der Wahl hatten Analysten vor einer Hängepartie durch ein starkes Abschneiden Grillos gewarnt - die Befürchtungen scheinen sich zu bewahrheiten.
Den Vorwurf, kein Konzept zu haben, wies Grillo am Dienstag zurück. „Wir sind nicht gegen die Welt. Wie werden Reform für Reform und Gesetz für Gesetz sehen“, sagte er. „Wenn es Vorschläge gibt, die in unser Programm passen, werden wir sie würdigen.“ Vor der Wahl hatte Grillo angekündigt, die Italiener in einem Referendum über einen Euro-Austritt des Landes abstimmen zu lassen und ein Grundeinkommen von 1000 Euro im Monat für jeden Italiener gefordert.
Ein relativ gutes Abschneiden Grillos bei der Wahl war vorher erwartet worden, doch dass die Bewegung mit 25,6 Prozent stärkste Einzelpartei im Abgeordnetenhaus werden würde, damit hatte kaum jemand gerechnet. Die etablierten Parteien unterschätzten Grillo, den Nicht-Politiker und Komiker ohne viel Programm, lange Zeit. Erst sein Erfolg in den letzten Umfragen rüttelte sie auf, einige warnten vor Grillo als Gefahr für die Demokratie.
Diese Gefahr ist bald nicht mehr abstrakt, sondern sitzt mitten im italienischen Parlament. Durch Blockade und Protest kann die Bewegung das Regieren dann zumindest erschweren. „Wir werden das Parlament aufreißen wie eine Thunfischbüchse“, hatte Grillo vor der Wahl angekündigt. Viele fürchten, dass er diese Drohung jetzt wahr machen und dem instabilen Krisenland Italien damit noch mehr schaden könnte.