Extra: Vom Ermittlerpech der Neonazi-Fahnder
Dresden (dpa) - Deutsche Sicherheitsbehörden teilen sich die Aufgaben - nicht jede darf alles. Sachsens Verfassungsschutz hatte den Neonazi Uwe Böhnhardt schon im Jahr 2000 für ein paar Sekunden im Visier - aber keine Befugnis zur Festnahme.
Die Polizei rückte erst am nächsten Tag an - als es zu spät war.
Sachsens Verfassungsschutzpräsident Reinhard Boos wies den Vorwurf zurück, durch Fehler die Festnahme der Neonazi-Gruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) im Jahr 2000 vermasselt zu haben. „Ein Zugriff durch unsere Behörde ist generell nicht möglich, sondern kann nur durch die Polizei erfolgen“, sagte Boos der Nachrichtenagentur dpa in Dresden.
Nachdem es Hinweise aus Thüringen gegeben habe, dass die damals gesuchten Rechtsextremisten am 30. September oder am 1. Oktober 2000 Kontakt zu Bekannten in Chemnitz aufnehmen könnten, sei für diese Tage der polizeiliche Zugriff geplant worden. Bereits im Vorfeld habe der Verfassungsschutz von einer Wohnung im Haus gegenüber rund um die Uhr eine Videokamera mitlaufen lassen.
Auf dem Film sei auch eine etwa drei Sekunden lange Sequenz zu sehen, die zeigt, dass schon am 29. September 2000 zwei verdächtige Personen auf das Klingelschild vor dem Haus schauten und dann weitergingen. „Es war schlicht Ermittlerpech, dass die gesuchten Personen bereits dort auftauchten, als die Polizei noch nicht im Einsatz war“, sagte Boos. Anschließend wurden die Gesuchten dort nicht wieder gesehen.
Das Magazin „Der Spiegel“ spricht in seiner aktuellen Ausgabe von einem „Schwarzen Freitag“ in der Geschichte der Bekämpfung des Rechtsterrorismus und von einer verpassten Chance: Die bis 2007 reichende Mordserie an neun Kleinunternehmern türkischer und griechischer Herkunft und einer Polizistin, für die die Neonazi-Terrorgruppe verantwortlich gemacht wird, hatte erst drei Wochen zuvor begonnen.
Boos bleibt bei der Darstellung, dass Sachsens Verfassungsschutz seit dem Abtauchen des aus Thüringen stammenden Trios 1998 keine Hinweise zum Aufenthaltsort der Neonazis gehabt habe. „Daran ändert auch die kurze Videosequenz nichts.“ Inzwischen gilt als sicher, dass die Neonazi-Zelle Trio jahrelang im sächsischen Zwickau lebte.