Flughäfen in der Pflicht: EU räumt mit Schneechaos auf
Brüssel (dpa) - In ganz Europa dasselbe Bild: Dick zugeschneite Flieger bleiben tagelang am Boden, tausende Passagiere müssen höchst unbequem mit Isomatten im Flughafen übernachten. Statt vorweihnachtlicher Freude ist der Frust groß - auch im politischen Brüssel.
Naturgewalten dürfen nicht als Ausrede für das Chaos herhalten, poltert die EU-Kommission. Die Brüsseler Experten haben den Schuldigen längst gefunden, nämlich die Flughäfen selbst. Jetzt müssen die Verantwortlichen in Brüssel zum Rapport erscheinen.
Es ist schon das zweite Mal in diesem Jahr: Im Frühjahr war es die Aschewolke, jetzt überfordern Eis und Schnee die Flughäfen. Allein heute rechnete die europäische Flugsicherheitsbehörde Eurocontrol mit europaweit 1000 Flugausfällen. „London und Frankfurt sind von den Wetterproblemen am stärksten betroffen“, schrieb Eurocontrol. In den vergangenen drei Wochen strandeten 1,6 Millionen Passagiere in der EU.
Mit ungewöhnlich scharfen Worten griff EU-Verkehrskommissar Siim Kallas die Airports an: „Diese Situation ist inakzeptabel und darf nicht wieder vorkommen.“ Sein Vorwurf lautet: Schlechte Organisation. Viele Flughäfen hätten zu wenig Enteisungsmittel auf Lager.
Bestes Beispiel dafür ist der Brüsseler Flughafen, gleich vor den Toren der EU-Hauptstadt. Fahrverbote für Lastwagen, die das dringend benötigte Mittel aus Frankreich herbeischaffen sollten, legten den Flugbetrieb lahm. Besonders kurios: Den Verantwortlichen fehlte der Durchblick. Erst hieß es, zwei Tage lang werde kein Flugzeug mehr starten. Dann tauchte plötzlich doch noch ausreichend Enteiser auf.
Falls die Branche das Problem allein nicht lösen könne, droht Kallas mit europäischen Vorgaben: „Ich stehe bereit dafür.“ Bei einem Treffen mit den Verantwortlichen in den kommenden Tagen erwartet der Kommissar genaue Pläne, wie sie Abhilfe schaffen wollen.
Die Unternehmen sind alles andere als begeistert: „Wir warten ab, bis die Einladung kommt“, sagt der Sprecher des Frankfurter Flughafenbetreibers Fraport, Jürgen Harrer. Ob ein Vertreter des größten deutschen Flughafens nach Brüssel fahre, sei noch offen. „Der Frankfurter Flughafen ist bereits bestmöglich auf einen Wintereinbruch vorbereitet“, sagt der Sprecher lapidar. Mehr als 300 Mitarbeiter und über 200 Fahrzeuge wie Streu- oder Räummaschinen seien als Winterdienst im Einsatz.
Dabei gibt es deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Airports: „Manche Flughäfen haben einen sehr guten Job gemacht, andere waren nicht ausreichend vorbereitet“, kritisiert Christian de Barrin von der Vereinigung europäischer Fluggesellschaften AEA.
Als Vorbild nennt Siim Kallas, der selbst aus dem kalten Estland stammt, etwa die skandinavischen Länder. Sie seien an Eiseskälte gewöhnt und gut vorbereitet, Beeinträchtigungen seien dort selten. Das Schneeräumen der Start- und Landebahnen und das Enteisen läuft im Akkord. Auf manchen Flughäfen können ein Dutzend Flieger gleichzeitig in großen Anlagen mit einer erhitzten Mischung aus Wasser und Glykol enteist werden - in Westeuropa scheuten dagegen viele Airports die Mehrkosten und verlassen sich auf mühselige Handarbeit.
Kallas fordert von allen EU-Flughäfen: „Bessere Vorbereitung, so wie es in Nordeuropa gemacht wird, ist kein optionales Extra, sondern muss mit dem nötigen Aufwand geplant werden.“
Das sehen die vielgescholtenen Flughafenbetreiber ganz anders. Die europäische Flughafenvereinigung ACI verweist darauf, dass die Lage in Westeuropa viel komplizierter sei als in Skandinavien, weil hierzulande schwankende Temperaturen spontanes Handeln erfordern. Ein kleiner Flughafen wie Helsinki sei zudem nicht mit einem Drehkreuz wie Frankfurt, Paris oder London vergleichbar, argumentiert Fraport-Sprecher Harrer: „Das ist wie Äpfel und Birnen vergleichen.“