Report: Bloß kein Weihnachtsfest am Flughafen!
Frankfurt/Main (dpa) - Müde, lange Gesichter auf den Feldbetten, die Terminals platzen aus allen Nähten. Ein Engel und ein Nikolaus scheitern am Dienstag bei dem Versuch, die Gestrandeten am Frankfurter Flughafen bei Laune zu halten.
Neben Paletten mit Wasserflaschen - umringt von TV-Teams - steht ein ratloser Flughafen-Chef Stefan Schulte: „Das ist höhere Gewalt. Da sind wir dann auch mal gefragt, Demut zu zeigen.“ Der Flughafenbetreiber Fraport tue, was er könne, habe 500 hochmotivierte Winterdienst-Mitarbeiter im Einsatz. Aber entgegen aller Prognosen sei man in der Nacht zu Dienstag von den starken Schneefällen überrascht worden. Ein kleiner Seitenhieb an die Wetterfrösche.
Seit Tagen dauert das den Wetterkapriolen geschuldeten Chaos an Europas Flughäfen nun an - Deutschlands größter Airport wird am Dienstagmorgen gleich für vier Stunden komplett gesperrt. Schulte schätzt wie in den Vortagen 300 bis 400 Annullierungen und den Schaden für Fraport auf jeden Fall auf „einen Millionenbetrag“, aber das sei momentan unwichtig. Es gehe jetzt darum, „möglichst viele Reisende noch zu Weihnachten zu ihren Zielen zu bekommen“.
Halbwegs gelassen sieht der irische Soldat Eric Byrne seine Lage. Montag aus Dublin in Frankfurt eingetroffen, wartet er Dienstagmittag immer noch noch auf einen Flug nach Kabul in Afghanistan. Die Nacht hat er auf einem Feldbett in Terminal 2 verbracht. „Ach, das macht mir nichts aus, darauf kann man schlafen“, sagt der 47-Jährige. Insgesamt meint er: „Einige Passagiere reagieren ganz schön über, dabei kann ja keiner was für diese Situation.“ Er hofft, rechtzeitig vor dem Weihnachtsfest in Afghanistan anzukommen, weil er dort Kollegen ablöst, die dringend nach Hause zu ihren Familien wollen.
Mit den Nerven am Ende ist Anja Kosinsky (52), die schon eine Odyssee hinter sich hat. „Meine Psyche ist total kaputt“, sagt sie. Ihr schießen Tränen in die Augen. Sie hätte ursprünglich in der Nacht von Sonntag auf Montag von Nürnberg nach Frankfurt fliegen sollen und dann weiter nach Washington. Schließlich verbrachte sie aber den Montag noch in Nürnberg, dann dort noch eine kurze Hotelnacht und sprang am frühen Dienstagmorgen in einen völlig überfüllten Zug nach Frankfurt. Hier geht nun erstmal nichts mehr. Dies sei die allererste Flugreise in ihrem Leben - und gleich ein „Horrortrip“. Sie will in Washington Weihnachten und die Hochzeit ihrer Tochter feiern.
Angst, ihre eigene Hochzeit zu verpassen, hat Jennifer Curio (28) aus Münster. Am 24. Dezember will sie in Atlanta in den USA ihren amerikanischen Freund heiraten. Seit Sonntag ist sie in Frankfurt mit ihren Kindern Harmony (7 Monate) und Calvin (6 Jahre) sowie einer kleinen Festgesellschaft gestrandet. Immerhin hat sie während der Nächte bei der Freundin ihrer Mutter Unterschlupf gefunden. Genervt erzählt sie in einer Warteecke im Terminal 1 mit der weinenden Harmony auf dem Schoß: „Es heißt immer nur gecancelt, umgebucht, gecancelt, umgebucht...“
Die Lufthansa stellt für die Wartenden wieder Rollwägelchen mit Sandwiches, Brezeln, Müsli-Riegeln und Wasser bereit. Nicht nur für Lufthansa-Passagiere: „Es dürfen alle vorbeikommen, wir können das sowieso überhaupt nicht mehr kontrollieren“, sagt einer der vielen, Lufthansa-Service-Guides mit neongelber Weste geduldig.
Fraport-Engel Sarah Jäschke (28) ist seit Freitag im Dauereinsatz. Ist sie gestresst? „Nein, ich bin nicht schlecht drauf. Als Engel darf man nicht genervt sein, das geht nicht“. Sie fährt mit einem mobilen Glitzer-Tattoo-Stand umher und malt lila Schmetterlinge auf Mädchenhände. „Die halten zum Glück einige Zeit“, sagt sie lächelnd. Bei manchem wartenden Erwachsenen lösen Engel und Nikolaus allerdings eher Kopfschütteln und Gefühle des Verhöhnt-Werdens aus.